Dunkelmächte

Zur Zeit erreichen mich vermehrt Botschaften von Leuten, dass wir uns gegen ominöse “Dunkelmächte” wehren müssten. Manche meditieren gegen diese an, andere vermuten sie als Drahtzieher hinter den Corona-Maßnahmen oder auch hinter der Pandemie selbst.

Mir stellt sich da die Frage, wo befinden sich diese Dunkelmächte? Sind sie irgendwo da draußen, ganz weit außerhalb von mir? Bin ich ihr armes, wehrloses Opfer? Oder habe ich vielleicht mehr damit zu tun, als mancher und manchem lieb ist?

Im Hintergrund höre ich vor meinem inneren Ohr Käptn Peng singen Bitte nehmen Sie eine Identität an! Anonymität ist die Maske von Tätern.

Denn wer hat überhaupt Angst vor Dunkelmächten und will sich gegen sie mit den Lichtkräften verbinden? Ganz sicher nicht das Große, sondern das Kleine Ich. Denn das Große Ich ist das alles. Alles gehört dazu. Vergleiche dazu die Osterbotschaft von Edgar Hofer.

Das Kleine Ich wiederum drückt sich vor der Verantwortung, die erwachsen sein mit sich bringt. Es macht lieber andere verantwortlich.

Schattenarbeit tut also not, und das führt uns zu Viktor Frankl. Der schreibt in seinem Buch … trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager

Das Leben im Konzentrationslager ließ zweifelsohne einen Abgrund in die äußersten Tiefen des Menschen aufbrechen. Soll es uns da wundern, daß in diesen Tiefen auch wieder nur das Menschliche sichtbar wird? Das Menschliche als das, was es ist -, als eine Legierung von gut und böse! Der Riß, der durch alles Menschsein hindurchgeht und zwischen gut und böse scheidet, reicht auch noch bis in die tiefsten Tiefen und wird eben auf dem Grunde auch noch dieses Abgrunds, den das Konzentrationslager darstellt, offenbar.

Meine Theorie einer strukturellen Weltverschwörung erscheint da noch mal in einem ganz anderen Licht und wirft Fragen dieser Art auf: Wo habe ich meine persönlichen Leichen im Keller? Durch was bin ich vor dem kosmischen Bewusstsein noch erpressbar? Schuldgefühle? Scham? Angst? Neid? Ärger? Mit einem Wort: Geistesgifte.

Zugleich ist dieser Beitrag keine Einladung, nun in eine Schöpfertrance zu verfallen. Denn das Kleine Ich hat eben nicht alles im Griff und unter Kontrolle. Für das Kleine Ich gilt der Satz von Don Juan

Wir sind Staub in den Händen dieser Kräfte.

Nur sind “diese Kräfte” eben auch nichts völlig außerhalb, sondern schlicht das Spiel des Großen Ichs, zu dem alle Kleinen Ichs mit dazugehören; auch wenn sie das manchmal zwischenzeitlich vergessen.

Damit sind wir wieder beim Makellos sein in der Krise.

Und aus Sicht der Weltarbeit kommt mir noch diese Frage: Nimmt das Virus vielleicht gerade eine, von Menschen unbesetzte, Geisterrolle ein?

Nachtrag vom 18.04.: Durch mehrere Rückmeldungen habe ich mitbekommen, dass dieser Beitrag missverständlich geschrieben ist. Es geht mir nicht darum, irgendwem irgendwie die Welt zu erklären. Und, wie mein gerade heute veröffentlichter Beitrag Besorgter Bürger 2020 klar macht, halte ich es – neben der persönlichen Ebene – auch für wesentlich, unser gesellschaftliches System im Ganzen zu verändern, was politischen Druck braucht, und der geht am besten, wenn viele sich solidarisch zusammentun und gemeinschaffen. Gerade das Gemeinschaffen wird durch die Corona-Krise massiv behindert. Und ich bin nicht ohne Grund Stifter bei der Bewegungsstiftung und setze auf diese und andere Weisen mein Geld als magisches Mittel ein.
Dass den Einzelnen in einer komplexen Gesellschaft wie der unseren die ganze Verantwortung auferlegt wird, ist mir richtiggehend zuwider, wie ich es z.B. im Beitrag Wellness vs. Solidarität zum Ausdruck bringe. Auch hier gilt es allerdings wieder, eine gute Balance zu finden. Da bin ich vielleicht manchmal etwas voreingenommen, weil ich die ersten 2 Drittel meines Lebens mich in der Opferrolle eingerichtet hatte und erst vor einigen Jahren aus dieser rausgekommen bin. Später habe ich dann durch meine Beschäftigung mit (transgenerationalem) Trauma festgestellt, dass es manchmal extrem schwer fallen kann, aus dieser Opferrolle wieder rauszukommen und sich als selbstverantwortliches und selbstwirksames Wesen zu erleben.
Auch meine ich in keinster Weise, dass die Kleinen Ichs irgendwie doof und abzulehnen wären – ganz im Gegenteil. All diese kleinen Ichs gestalten ja als Agenten des kosmischen Bewusstseins gemeinsam diese Welt. Sie haben nur eben nicht den großen Überblick – das Kleine Ich des Schreibers eingeschlossen. Daran will ich mich & andere nur immer wieder erinnern. Nobody knows jack shit about what is going on. Wir haben ja sowas von überhaupt gar keine Ahnung.

Das heisst aber auch, niemand kann sich sicher sein, dass es irgendwo da draußen böse Dunkelmächte gibt, so wenig wie man es sicher ausschließen kann. Das ist eine Hypothese wie alles andere, was wir uns über diese Welt denken, auch. Wir stecken halt alle in unserem individuellen Ego-Tunnel.

Mir ist es einfach sehr wichtig, dass Menschen sich nicht kleiner machen als sie sind. Dass sie sich im Gegenzug größer machen als sie sind, betrachte ich tatsächlich als die kleinere Gefahr. Liege ich damit falsch?

Weiterer Nachtrag vom 18.04.: Dass Osama Bin Ladens Kumpanen mit 2 Flugzeugen das World Trade Center zum Einsturz gebracht haben, ist ebenso lediglich eine Hypothese, für die überzeugende Belege nach wie vor ausstehen. Dass das nur mal klar ist.

Noch ein Nachtrag vom 18.04.: Sehr lesenswert zu Dunkel- und Lichtmächten finde ich die Wächter-Reihe von Sergej Lukianenko (jedenfalls die eigentlichen 6 Bände). In meinen Augen eine der großartigsten Fantasy-Reihen ever. Ergänzend ist auch die Erdsee-Reihe von Ursula K. LeGuin ziemlich gut.

Und noch einer vom 18.04.: Marx21 schreibt

Die Eindämmung einer Pandemie ist eine politische Frage, keine individuelle.

Und:

Das Symptom heißt Corona, die Krankheit Kapitalismus.

In diesem Sinne muss man auch die Leopoldina als eine Dunkelmacht bezeichnen.

Nachtrag vom 22.02.2021: Der Beitrag Der Mythos der Macht berichtet von einer Baumzeremonie, die in gewisser Weise an meine Auseinandersetzung mit den Dunkelmächten anknüpft.

Nachtrag vom 24.10.2021: Jochen Kirchhoffs Sicht auf Gut und Böse als kosmische Kräfte kann ich durchaus etwas abgewinnen:

Nachtrag vom 08.01.2022: Karl-Heinz Rauscher, den ich im Beitrag Alles gehört dazu lobend im Blog erwähnt hatte, propagiert nun auch den Einfluss von (außerirdischen) Dunkelmächten. Ich weiß ja nicht…

Nachtrag vom 09.01.2.22 Charles Eisenstein hat schon im Mai 2019 in seinem Essay The Polarization Trap festgestellt, dass in einer extrem polarisierten Gesellschaft die polarisierten Menschen der jeweils anderen Gruppe unterstellen, von Dunkelmächten manipuliert zu werden:

In this polarized environment, each side attributes the problem of polarization to the other side’s descent into unreason, having fallen victim to an evil, manipulating power.

Und ich bin dadurch noch mal deutlicher zu dem Schluss gekommen:

Ich verorte das Böse nicht irgendwo da draußen, sondern in mir (siehe Viktor Frankls Zitat oben). Es ist als Potenzial immer vorhanden. Und ich gehe nicht von materiellen bösen Wesen aus, die womöglich noch von irgendwo weit weg im Weltall kommen. Ich halte das Böse für eine Gedankenform.

Wetiko verstehe ich auch genau in diesem Sinne; siehe auch den Beitrag Don Juan Matus, Martin Buber, Spiral Dynamics und die Megamaschine.

Nachtrag vom 06.03.2022: Das Thema beschäftigt mich weiter im Beitrag Dunkelmächte revisited.