Schlagwort: Beziehung
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Spannungen aussprechen
Heute ist mir klar geworden, dass ich über viele Jahre in meinem Leben gelernt habe, Spannungen, die ich deutlich wahrnehme, nicht auszusprechen sondern für mich zu behalten. Das liegt daran, dass mein Überleben als Kind von der spannungsreichen Beziehung meiner Eltern abhing. Damals hatte ich keine Chance, diese Spannungen auf den Tisch zu bringen, und auch große Angst vor dem Jähzorn meines Vaters. So habe ich die Spannungen in mir behalten, wo sie sich körperlich in häufigen Kopfschmerzen äußerten. Das tun sie auch bis auf den heutigen Tag.
Vor fast 25 Jahren hatte ich in meiner WG in Bielefeld ein erschütterndes Erlebnis: als ich einmal doch eine Spannung, die ich wahrgenommen hatte, aussprach, bekam ich von der betroffenen Person heftigen Widerstand. Das hat mich in einen Angstzustand versetzt, in dem ich dissoziiert habe. Daran wird deutlich, wie stark dieses Muster damals in mir war, und welche Angst dem zugrunde liegt. Vermutlich ist das heute nicht mehr so stark, aber es wirkt nach wie vor.
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Unsere Gedanken ordnen, um die Erde zum Erblühen zu bringen
Das Interview mit Lucas Buchholz, in dem er vom indigenen Volk der Kogi in Kolumbien erzählt, habe ich mir vor anderthalb Wochen schon zweimal hintereinander angesehen. Darin kommt mir eine solche geistige Kraft entgegen, dass ich das so lange erst mal sacken lassen musste. Heute bin ich endlich dem Rat der Kogi gefolgt & habe mir einen Platz in der Natur gesucht, an dem mein Geist zunächst zur Ruhe gekommen ist.
Das Interview habe ich mir nun ein drittes Mal angesehen:
Übrigens habe ich direkt nach dem zweiten Mal Anschauen das Buch Was die Erde will von Jochen Kirchhoff angefangen, das ich schon länger im Regal stehen hatte. Kirchhoff sagt nämlich auch, dass wir Menschen für die Erde wichtig sind, und beileibe keine Parasiten. Lucas Buchholz nennt die letztere Sichtweise direkt “Selbsthass”, wobei ich ihm nur zustimmen kann.
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Geben und Empfangen vs. Nehmen
Schon lange arbeite ich daran, das falsche Paar von “Geben und Nehmen” in unserer Sprache richtig zu stellen. Warum ist das ein falsches Paar? Nun, der Gegenpol zum Geben ist das Empfangen, nicht das Nehmen. Wenn mir jemand etwas gibt, dann kann ich das empfangen.
Zum Nehmen brauche ich niemand anderes. Ich nehme mir einfach das, was da ist.
Da liegt eben der Hase im Pfeffer: Empfangen kann ich nur in Beziehung zu jemand, die mir etwas gibt. Zum Nehmen brauche ich keine Beziehung, und beim Nehmen entsteht auch keine Beziehung. Ich bleibe egozentrisch, wenn nicht sogar egoistisch. Zugespitzt ist Nehmen die Haltung des Extraktivismus, des Imperialismus, des Kolonialismus.
Das zeigt exemplarisch in der Sprache (und das ist mindestens im Deutschen und im Englischen so, in anderen Sprachen kann ich es nicht beurteilen), wie das egozentrische Nehmen ganz selbstverständlich als falscher Gegenpol zum Geben gesetzt wird.
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Wenn Diskursgrenzen Herrschaftsverhältnisse unsichtbar machen und warum Diversität trotzdem wichtig ist
Diversität als Thema bei der Bewegungsstiftung
Dieses Wochenende war ich bei der Online-Strategiewerkstatt der Bewegungsstifung, die das Schwerpunktthema Diversität hatte. Das Thema liegt mir bekanntlich sehr am Herzen; ich verweise als zentrale Anlaufstelle hier im Blog auf den Beitrag Rang und Privilegien in einer Nussschale. Vor ein paar Monaten habe ich endlich den lange geplanten Rang- & Priviliegientag hier in der Gemeinschaft veranstaltet, um auch hier das Bewusstsein für die Thematik zu verstärken.
Dass das Thema erst jetzt (nach beinahe 20 Jahren Bestehen der Stiftung) so ins Zentrum gerückt ist, kann auf der einen Seite verwundern, denn wie ich in meinem finanziellen Coming out geschrieben hatte, warum mich die Bewegungsstiftung besonders angezogen hat:
Dort entscheiden nämlich nicht allein die StifterInnen, wer zu welchem Zweck wie viel Geld bekommen soll, sondern die AktivistInnen der geförderten Projekte entscheiden über die Geldvergabe der Stiftung mit (mehr darüber in der Broschüre Den Wandel gestalten). Damit betreibt die Bewegungsstiftung keine undursichtige Wohltätigkeit wie die meisten anderen Stiftungen. Exemplarisch ist dabei in Deutschland die Bertelsmann-Stiftung zu nennen. Auch Warren Buffets Sohn Peter haut in die gleiche Kerbe, wenn er vom Charitable-Industrial Complex spricht. Aus dem Umfeld der Bewegungsstiftung ist u.a. die Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe entstanden, für die ich hier im Blog Gerhard Schröder werben lasse. Bei der Bewegungsstiftung gibst du als StifterIn also tatsächlich ein gutes Stück aus der Hand, was mit deinem Geld geschieht.
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Die Wirklichkeit ist Allmende
Dieser Andreas Weber schreibt so schöne Sachen, dass es mir jedes Mal aufs Neue das Herz erwärmt. Heute bin ich von Miki Kashtan kommend wieder bei ihm gelandet. Miki beschreibt in ihrem Text das Fließen des Lebens, und Andreas Weber tut das noch viel ausführlicher & poetischer. In seinem Buch Sein und Teilen lautet eine der Zwischenüberschriften des ersten Kapitels Die Wirklichkeit ist Allmende. Er schreibt dazu
Der Begriff, der diese Perspektive beschreibt, ist die Allmende oder, im heute populären englischen Plural, die Commons. Allmende ist ein Geflecht von Beziehungen, durch die sich Lebendigkeit entfaltet. Allmenden kennzeichnen alle Bereiche des Lebendigen. Ökosysteme sind Allmenden – aber auch ein Großteil der Regeln, denen menschliche Gesellschaften folgen, indem sie allen nützen und alle sie erhalten. Materie und Sinn sind in der Allmende nicht getrennt. Lebendige Teilnehmer bringen einander durch Beziehungen hervor und produzieren damit ihre Identität.
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Bitte fallt nicht auf Blockchain und Kryptowährungs-Quatsch hinein
Hmpf. Da hatte ich gedacht, das Thema hier im Blog abgeschlossen zu haben, aber leider erweisen sich immer mehr Leute, die davon abgesehen eigentlich gute Ideen haben & gute Initiativen vorantreiben, in diesem Zuge auch als Blockchain- und Kryptowährungs-Fans. Deshalb versammele ich an dieser Stelle, warum ich das für eine ausgesprochen schlechte Idee halte.
Aufschlussreich ist zu Beginn wahrscheinlich, dass die Idee von Kryptowährungen auf Basis einer Blockchain aus der anarchokapitalistischen bzw. libertären Szene kommt. Diese Leute habe ich aus gutem Grund schon vor Jahren hier im Blog als die Verblendetsten von allen bezeichnet – und das, wo ich mich selbst ja als (inneren) Anarchisten verstehe. Der Teufel steckt mal wieder im Detail. Bei Norbert Häring erfährst du Hintergründe zum libertären Traum vom Kryptogeld, auch Michael Seemann schreibt darüber in Blockchain für Dummies.
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Die Corona-Proteste um die Commons-Perspektive ergänzen
Das Buch Die Welt wieder verzaubern. Feminismus, Marxismus & Commons von Silvia Federici inspiriert mich gerade dazu, meinen Beitrag über Die Einhegung der Allmende auf Steroiden durch die Corona-Maßnahmen mit den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zusammenzubringen.
Denn das ist eine Perspektive, die ich dort neben der linken ganz besonders schmerzlich vermisse.
In meinem Beitrag zur Demo am 1. August hatte ich ja geschrieben
Allerdings habe ich den Eindruck, dass da morgen im Wesentlichen zwei verfeindete Fraktionen des Weiter so wie bisher aufeinander prallen werden, die die Lage völlig unterschiedlich einschätzen.
sowie
Diese Freiheit ist aber auch die Freiheit unseres kapitalistischen Ausbeutungssystems, fröhlich weiter Menschen und alle anderen Wesen auf der Erde sowie die Erde selber auszubeuten bis es kracht.
Andererseits verhindern gerade die autoritären Maßnahmen, Widerstand gegen diese Einhegung und Ausbeutung zu organisieren. Lockdown bedeutet letztlich nichts anderes, als dass der Staat den Menschen das Gemeinschaffen verbietet. Denn dazu müssen wir uns treffen, uns körperlich nahe sein, gemeinsam bereden, was wir wie zusammen tun wollen, und es dann auch zusammen tun. Genau das erschweren bis verhindern die Staaten aber weltweit in unterschiedlichem Ausmaß. Make every home a prison today.
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Von der Distanz zur Verbundenheit
Dieser Spruch auf einem Plakat hat mich besonders tief angerührt auf der Demo am 1. August.
Wir trainieren jetzt schon seit Monaten – und zwar global! – andere Menschen als potentiell gefährlich zu betrachten; und zwar insbesondere dann wenn sie uns nahe kommen. Dabei präsentiert sich der Staat als der große Beschützer mit Bußgeldern, Polizei und Ordnungsamt, mit Grenzkontrollen und Massenüberwachung.
Den Scherben war schon in den Siebzigern klar: Allein machen sie dich ein.
Social Distancing erscheint vor diesem Hintergrund als die neueste Form der uralten Teile und Herrsche-Strategie. Sich mit vielen anderen für eine gemeinsame Sache zusammenzutun gefährdet den Volkskörper und ist unter Strafandrohung zu unterlassen.
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Der Markt kann die Coronakrise nicht bewältigen
Das sieht man an allen Ecken und Enden ganz deutlich. Die aktuelle Anstalt zeigt es im Bereich des Gesundheitssystems.
Zu diesem Beitrag hat mich Miki Kashtan inspiriert, die im 2. Beitrag ihrer “Apart and together”-Reihe genau darüber schreibt: Addressing Needs beyond Market Economies.
One of the things that the coronavirus appearance, and the ensuing pandemic it caused, opened up is the possibility of exposing this incapacity of the market to attend to need. If the market were able to attend to needs, there wouldn’t have to be any governmental mobilization anywhere, because it would happen by itself through the mechanism of the “invisible hand.” And yet in country after country, governments are initiating actions that would be unheard of before, including re-nationalizing services, mobilizing war-like production, and considering cash payments to those in need or to everyone. That it’s happening is showing us in stark terms that, left to its own devices, the market cannot attend to needs. This is not an accident or an aberration; it’s exactly the inherent logic of how markets operate to make it impossible to move resources to where needs are, except through mechanisms, such as state intervention or individual and community gifting, that operate outside the market logic.
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Corona: Die Einhegung der Allmende auf Steroiden
In diesem Blog geht es seit langem immer wieder um das Gemeinschaffen, das Commoning. Nun haben die Commons bzw. auf deutsch Allmenden eine lange Geschichte der Einhegung hinter sich. Das fing mit den allerersten Staaten an, was sich bei James C. Scott nachlesen lässt, kam mit der Enclosure Movement in England zu einem ersten Höhepunkt und wurde in späteren Phasen in Karl Polanyis Werk The Great Transformation dokumentiert.
Einhegung heisst nichts anderes, als dass die ursprünglichen Beziehungen des Gemeinschaffens aufgebrochen und in eine abstrakte Marktbeziehung unter Aufsicht eines (ab der Industrialisierung bürgerlichen) Staates verwandelt wurden. Das ging einher mit immer stärkerer Individualisierung und Vereinzelung der Menschen und mit einem immer schärferen Konkurrenzkampf, bei dem die Solidarität der Menschen zusammen mit der Allmende immer weiter zurück gedrängt wurde.
Die Corona-Krise beschleunigt diesen Prozess gerade massiv durch das von allen Seiten propagierte Social Distancing. Alle hocken nur noch vereinzelt in ihren Privatwohnungen, der öffentliche Raum ist faktisch nicht mehr existent. Im Internet stecken ja auch alle nur noch in ihren persönlichen Filterblasen.
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