Schlagwort: Achtsamkeit

  • Veröffentlicht am

    Wenn du es eilig hast, dann gehe langsamer


    Auch wenn es sich aus dem Titel vielleicht nicht sofort erschliesst, ist dies der zweite Beitrag zur Theorie von Vipassana. Denn innerhalb der 10 Tage habe zumindest ich mich immer weiter verlangsamt. Es gibt ja auch überhaupt keinen Grund zur Eile, denn man macht fast den ganzen Tag immer das Gleiche: Sitzen und meditieren. Gleichzeitig wird die Wahrnehmung immer feiner. Räumlich übt man die ersten 3 1/2 Tage, sich auf den Bereich unterhalb der Nasenlöcher zu konzentrieren. Das gelingt mit der Zeit immer besser & der Bereich, auf den man sich konzentrieren kann, wird mit der Zeit kleiner. Auch zeitlich verfeinert sich die Wahrnehmung, man registriert immer kürzere Empfindungen.

    Durch die feinere Zeitwahrnehmung erscheint deshalb die gleiche Bewegung langsamer. Man kann die Zeit in immer kleinere Abschnitte unterteilt wahrnehmen. Dabei hilft das innere und äußere Schweigen ganz ungemein, allein schon deshalb, weil Sprache viel zu langsam und ungenau ist, um die Fülle der Wahrnehmungen auch nur annähernd zu beschreiben.


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Vipassana - 10 Tage schweigen, auch innerlich


    Heute beginnt die vierteilige Reihe über die theoretischen Aspekte von Vipassana. Natürlich werden auch meine direkten Erfahrungen darin einfließen, in Reinform habe ich davon schon letzte Woche berichtet.

    Die wichtigste Grundregel eines 10-Tage-Kurses ist die edle Stille bzw. das edle Schweigen, worunter möglichst vollständiges Einstellen jeglicher Kommunikation mit anderen Kursteilnehmern zu verstehen ist. Über das reine nicht miteinander sprechen geht es noch hinaus, auch z.B. Augenkontakt soll vermieden werden. Die strikte Trennung in Männer- & Frauenbereiche gehört dazu. Dass letzteres sehr sinnvoll ist, hat ein Freund von mir live erfahren in einem Kurs ohne diese Geschlechtertrennung: er sei einer attraktiven, vollbusigen Frau gegenüber gesessen, was ihn den ganzen Effekt des Kurses gekostet hat…
    Wozu das Ganze? Vipassana findet in einer möglichst abgeschiedenen Umgebung statt, um möglichst viele Umweltreize abzuschirmen. Man beobachtet die Empfindungen im eigenen Körper, und das geht um so besser, je weniger Ablenkung von aussen kommt.


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Die Angst der Kriegskinder und -enkel vor Bewusstseinserweiterung


    Gerade bin ich wieder am Lesen im Nebelkinder-Buch, den Beitrag von Anne-Ev Ustorf. Dabei fällt mir besonders auf, dass gerade Bewusstseinserweiterung, und zwar auch mit Hilfe entsprechender Substanzen, diese ganzen Knoten auflösen kann. Bescheuerterweise sind psychedelische Substanzen allerdings pauschal verboten. Dabei könnten sie, verantwortungsvoll eingesetzt, so viel Gutes bewirken.
    Ustorf schreibt:

    Babys lernen von ihren Bezugspersonen, ihren eigenen inneren Zustand zu deuten: So gut oder schlecht wie die Bindungsperson – meist die Mutter – die eigenen Gefühle und die ihres Babys regulieren kann, lernt auch das kleine Kind nach und nach, die eigenen Gefühle zu regulieren oder – anders gesagt – sich zu beruhigen.

    Timothy Leary spricht in diesem Zusammenhang von Prägung, englisch imprint. Während Ustorf nun schreibt:

    Die rechte Hirnhälfte bleibt jedoch ein Leben lang von den frühen Bindungserfahrungen beeinflusst


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    weich und berührbar werden und dadurch ankommen


    Gestern bin ich von meinem zweiten 10tägigen Vipassana-Kurs zurück gekommen, diesmal im großen Zentrum in Triebel. Den ersten Kurs hatte ich ja bei Panyasara gemacht, den ich schon als Bewusstseinsraketentreibstoff lobend erwähnt hatte. Dort findet ihr auch den Film “Fliessen lernen” über einen Kurs bei ihm.

    In den nächsten Tagen werde ich noch einiges über die Theorie von Vipassana schreiben, heute erst mal der Erfahrungsbericht:

    Jetzt nach dem zweiten Kurs kann ich sagen, dass das eine völlig neue Dimension ist. Der erste Kurs war hauptsächlich schmerzvoll, mit gelegentlichen Lichtblicken. Es ging in erster Linie einfach darum, durchzuhalten. Das ist schon mal wichtig, denn Entschlossenheit braucht es, um Ergebnisse zu erzielen. Und ich habe dabei meinen Gleichmut trainiert, worauf ich jetzt aufbauen konnte.

    Der Kurs fing für mich mit gemischten Gefühlen an, weil ich mit beginnender Erkältung angereist war. Allerdings erwies sich das sogar als super, weil ich dadurch eh schon mit meiner Aufmerksamkeit bei meinem Körper & speziell bei meiner Nase war. Deshalb fiel es mir ziemlich leicht, meinen Atem zu beobachten, & der Schnupfen hielt sich dann auch sehr in Grenzen. Nur kurze Zeiten war mal eines der Nasenlöcher zu, die meiste Zeit konnte die Luft ungehindert fließen.


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Feindschaft macht dumm


    Schon in meinem Beitrag zum Charlie Hebdo-Anschlag hatte ich vor dem Teile & Herrsche-Prinzip gewarnt, das einen Keil zwischen uns Menschen treibt. Deswegen wurde mir allen Ernstes Antisemitismus vorgeworfen. Das ist natürlich allein deshalb schon absurd, weil es da weit und breit gar nicht um Juden geht.
    Davon abgesehen wollte ich darauf hinaus, dass es Kräfte gibt, die uns Menschen zu Feinden machen wollen. Diese Kräfte wirken in jedem einzelnen von uns und manifestieren sich in unterschiedlichster Weise. Antisemitismus ist eine Form davon und widerspricht damit völlig den Aussagen im Charlie Hebdo-Beitrag.

    Eine Vorstufe oder abgeschwächte Form von Feindschaft ist Konkurrenz, wie ich im Beitrag über Lernen im 21. Jahrhundert dargelegt habe.

    Darüber hinaus macht Feindschaft tatsächlich dumm. Damit meine ich nicht, dass die einzelnen Feinde als Menschen dümmer werden, nur weil sie sich als Feinde verhalten. Sondern die Menschheit als Ganzes im Sinne der kollektiven Intelligenz wird dadurch dümmer als sie sein könnte, wenn wir alle zusammen arbeiten würden.


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Das Hamsterrad als mentale Infrastruktur


    Beim Mittagessen im Konzeptwerk Neue Ökonomie bekam ich den Hinweis auf Harald Welzer und dessen Konzept von Mentalen Infrastrukturen. Der Untertitel “Wie das Wachstum in die Welt und in die Seelen kam” sagt, wohin die Reise geht.
    Sein Aufsatz ist eine so hervorragende Ergänzung zu meinen Hamsterrad-Überlegungen, dass ich hier ein paar Auszüge daraus wiedergebe, zunächst aus dem Vorwort:

    Das ‪Wachstum‬ als Wille und Vorstellung herrsche nicht nur in Konzernzen­tralen, an Börsen oder in Ministerien, argumentiert der Autor, sondern auch in unseren Köpfen. Die materiellen Güter dienten längst nicht mehr alleine den elementaren Bedürfnissen wie Nahrung, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Vitalität. Materielle Güter sagten auch etwas aus über den sozialen Status und über Beziehungen, über kulturelle Vorlieben. Tatsächlich prägen sie Zugehörigkeit und Identität. Wir kennen sie alle: die Lust nach etwas Neuem, nach steigendem Einkommen, nach Besitz, nach immer exotischeren Urlaubsreisen. Die Vorstellung vom «unendlichen Wachstum» ist seit der industriellen Revolution gleichsam in unseren emotionalen und kognitiven Haushalt eingebettet, so Welzer. Das äußert sich etwa in Karrierewünschen und Aufstiegsplänen im Job, ebenso in der Selbstfindungssuche nach dem «wahren Ich» oder einer «höheren Erkenntnisstufe». Der moderne Mensch ist der Schmied seines eigenen Glückes, er will etwas aus seinem Leben machen, und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder aufs Neue, um stetig seine Zufriedenheit zu steigern.


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Mich verneigen


    Beim vorletzten Seminar meiner Ausbildung bin ich über die Arbeit mit den chronischen Körpersymptomen auf die Geste gekommen, mich zu verneigen. Das gewöhne ich mir gerade an, jeweils nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen zu tun. Ich verneige mich nicht vor jemand oder etwas bestimmtem. Es geht um die Geste selbst. Sie zeigt, dass ich nicht alles allein machen muss, und dass ich nicht allein bin. In gewissem Sinne bin ich das natürlich schon. Man könnte sagen, das Kleine Ich verneigt sich vor dem Großen Ich.

    Mich beschäftigt gerade sehr das Thema Erbe. Wir alle sind Erben, wir alle haben ein ganz spezifisches Erbe für unser Leben in der Welt der Erscheinungen mitbekommen. Das geht weit über die Eltern und über das Materielle hinaus. Gerade mir, der ich gerne im Reich aller Möglichkeiten surfe, hilft das, mich zu konzentrieren. Mein Erbe ist das, was ich ja schon längst habe, was schon da ist. Zwar habe ich immer noch beliebige Möglichkeiten, was ich daraus mache. Es ist jedenfalls ein ganz konkreter Ausgangspunkt. Den habe ich immer wieder gerne vernachlässigt. Immerhin habe ich mich schon bei euch allen bedankt. :-)


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Nach innen lauschen


    Diese oya lässt mich zur Zeit nicht mehr los. Jetzt hat die Ausgabe Entscheidungskunst. Wege aus der Demokratur zu mir gefunden. Die Geschichte, die Claus Biegert erzählt, von Dieter Halbach im Editorial wiedergegeben, hallt in mir nach:

    Er war zu Besuch bei der Irokesen-Föderation und durfte an einer ihrer Versammlungen teilnehmen. Nachdem er mit seinem Freund das traditionelle Langhaus betreten hatte, setzten sich alle schweigend. Nach geraumer Zeit standen sie wieder auf und gingen. Als Claus und sein Begleiter nach Hause kamen, fragte dessen Frau: “Und? Wie war eure Versammlung?” Der Freund antwortete: “Sehr gut!” Claus etwas erstaunt: “Wie meinst du das? Niemand hat etwas gesagt!” Der Freund erklärte: “Jeder von uns horchte in sich hinein und prüfte, ob seine Sache so wichtig sei, dass er damit den Abend eröffnen könne, oder ob er unter Umständen damit die Zeit von Wichtigerem wegnehmen würde. Da niemand das Wort ergriffen hat, scheint alles beim Besten zu sein!”


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Will ich Recht haben oder glücklich sein?


    In den letzten Wochen erschließt sich mir erst nach & nach die unglaublich grandiose Weisheit dieser kurzen knappen Frage, die Marshall B. Rosenberg formuliert hat:

    Will ich Recht haben oder glücklich sein?

    Rosenberg wählte ursprünglich die Du-Form, diese Frage wirkt aber am besten, wenn mensch sie sich selbst stellt. Würden alle Menschen sich auch nur dreimal am Tag wirklich ernsthaft diese Frage stellen, dann lebten wir in einer friedlichen Welt.

    Will ich Recht haben oder glücklich sein?

    Mit dieser Frage zerfallen auch alle Bewertungen, denn die sind letzten Endes nicht wirklich wichtig. Es sei denn natürlich, ich will Recht haben, dann kommt es nur auf die Bewertungen an. Die Frage zielt auf Bewusstsein ab über das, was ist, und über das, was sein will.


    Weiterlesen…
  • Veröffentlicht am

    Bedürfnisse/Bedürftigkeit, brauchen und frei sein


    Der heutige Beitrag ist mehr eine ausführliche Fragestellung, weil es um einen scheinbaren Widerspruch geht, den ich bisher noch nicht auflösen konnte. Es geht um Bedürfnisse bzw. Bedürftigkeit auf der einen Seite und auf der anderen Seite darum, wirklich frei zu sein. Irgendwie gelingt es mir praktisch, mir sowohl meiner völligen Abhängigkeit und Bedürftigkeit bewusst zu sein und dabei gleichzeitig (innerlich) frei. Gedanklich sind das jedoch noch immer totale Gegensätze. Daher werde ich nun die ganze Thematik auseinander klamüsern & ausbreiten.

    Fangen wir an mit Zitaten aus dem Artikel Geburtlich zusammen leben von Ina Praetorius. Was sie darin schreibt, lässt sich kaum bestreiten:

    Nur ein paar Jahrzehnte, höchstens, sind wir, die Geborenen, fähig zu handeln, also ein Stück Welt zu gestalten, immer bezogen auf bedürftige Mithandelnde. Gleichzeitig bleiben wir eingebunden in die Matrix Welt. In fast jeder Hinsicht sind wir abhängig vom und von anderen. Keiner und keine von uns kann auch nur fünf Minuten ohne Luft überleben, oder eine Woche ohne Wasser. Von Luft und Liebe, Gemüse und Moral, von Geschichten, Traditionen und der Arbeit anderer leben wir, und schon bald werden wir eingehen in die Erde. Weit entfernt sind wir von der Fiktion, die Johann Gottlob Fichte die Selbstsetzung des Subjekts und Immanuel Kant Autonomie nannte.


    Weiterlesen…