Die Ahnen stehen im Rücken
Am Pfingstsonntag habe ich einen Haka-Workshop mit Heidi Baatz mitgemacht. Beim Haka geht es sehr um die Ahnen und darum, deren Kraft zu sich zu nehmen. Das kommt in diesem Video gut zum Ausdruck:
Dazu gehört auch, sich zu bemalen. Ich sah z.B. so aus gestern:
Mitten im Workshop wurde mir auf einmal klar, dass ich nur deshalb hier bin, weil alle meine Ahnen Nachkommen in die Welt gesetzt haben. Das habe ich bisher nicht getan. Kann ich deshalb selber kein Ahne werden? Was heisst das überhaupt, Ahne zu sein? Diese Frage kann ich so direkt im Moment nicht beantworten. Ich habe ein Bild dazu, das ich mit vielen Menschen teile: Die Ahnen stehen hinter mir & bilden so meine Ahnen_reihe._ Aus dieser Reihe können sie auch nicht ausscheren, egal wie sich zu Lebzeiten (oder danach) verhalten. Selbst wer sein Kind verstößt, bleibt dessen Ahne. In diesem Sinne habe ich Millionen Legionen hinter mir:
Das also tut ein Ahne mindestens: Im Rücken seiner Nachfahren stehen und seine Kraft und seine Liebe an sie weitergeben. Und wenn ich statt leiblicher Kinder geistige Kinder in die Welt setze, dann stehe ich in deren Rücken. Ganz aktuell gilt das für die Kriegsenkelgruppe Leipzig/Halle, die zur Zeit akute Auflösungserscheinungen zeigt. Und auch Konrad in Neuseeland braucht mich gerade in seinem Rücken. Die Buddhisten sprechen davon, dass Eltern ihre Kinder schützen, helfen, heilen sollen. Nicht mehr, nicht weniger.
Auch leibliche Kinder werden ja älter & sterben irgendwann. Es kann also nicht darum gehen, als Ahne sich dem Lauf der Welt in den Weg zu stellen & irgendetwas festzuhalten, sondern gerade darum, mitzufließen und meinen Teil beizutragen. Meine Nachfahren werden sich auf eine Art verändern, auf die ich irgendwann keinen Einfluss mehr habe. Je weiter hinten in der Reihe die Ahnen stehen, um so weniger erinnern sich die Lebenden noch an sie, sie werden immer abstrakter – & damit kein Stück weniger wichtig. Es brauchte jeden einzelnen meiner Ahnen, damit ich hier & heute leben kann.
Vielleicht berührt mich auch deshalb die Geschichte Der Mann, der Bäume pflanzte so (dieser Mann ist der Ahne eines ganzen Waldes!) und generell Geschichten von Menschen, die Wüsten wieder begrünen (siehe z.B. Mehr Wachstum! (Folge 2) in der Oya). Ahnen bereiten den Boden für späteres Leben. Kollektiv tun wir gerade das Gegenteil. Und da mir kürzlich klar wurde, dass man nicht nicht mitmachen kann, heißt Ahne sein, es anders und besser machen als die herrschende Kultur: sich wieder ganz dem Leben verpflichten. Denn der Tod kommt sowieso.
Heisst Ahne sein auch, dass einem das Leben der Nachkommen mehr am Herzen liegt als die eigene Selbstwichtigkeit? Die Native Americans richten ihr Leben am Wohlergehen der nächsten 7 Generationen aus. Da ist dann nicht mehr viel Platz für Selbstwichtigkeit. Und dabei beherrschen sie die Kunst, in dieser Ausrichtung ein gutes Leben in Fülle zu führen.
Ab sofort verneige ich mich morgens und abends vor meinen Ahnen – denen, die vor mir waren und denen, die nach mir kommen werden.