Ich werde konservativ
Dieser Satz kam vor knapp zwei Jahren zu meinem eigenen Erstaunen über meine Lippen & begleitet mich seither. Was meine ich damit? Es geht nicht um die politische Weltanschauuung des Konservatismus (politisch bin ich bekanntlich innerer Anarchist), sondern darum, was das Wort eigentlich bedeutet: etwas erhalten und bewahren. Und zwar etwas, das mir wertvoll und wichtig ist.
Konkret wollte ich damals mit diesem Satz ausdrücken, dass ich mit dem, was ich tue, die Antinous Gemeinschaft und damit das Diamond Lotus Tantra Institut bewahren will, in dem ich lebe und arbeite.
Inzwischen bin ich ja 41 Jahre alt & beobachte fasziniert, was die verschiedenen Lebensalter so mit mir machen. Bis Ende 30 war ich immer noch darauf aus, Neues zu lernen & auszuprobieren, überhaupt die Fülle der Möglichkeiten auszuloten. Immerhin habe ich mit 38 noch eine neue Ausbildung abgeschlossen.
Von da an habe ich gemerkt, dass ich nicht noch mehr lernen & üben will, sondern das viele, das ich in meinem Leben schon gelernt habe, endlich auch mal mit voller Kraft anwenden will. Deshalb habe ich mich gegen die Tantramassageausbildung entschieden, auch wenn ich zeitweilig dachte, dass das hier ja mehr oder weniger dazugehört.
Und dann hat mich das Leben auch noch dahin geführt, dass ich nicht, wie mein ursprünglicher Plan war, selber Workshops mit anleite (der Männerworkshop mit Saranam kam mangels Teilnehmern nicht zustande). Vielleicht werde ich das eines Tages noch tun, zur Zeit ist einfach anderes dran. In meinem XING-Profil habe ich als Berufsbeschreibung stehen “IT, Buchhaltung und Seminarmanagement”, was meine Tätigkeiten ganz gut umreisst. Dazu kommt seit knapp anderthalb Jahren, dass ich unsere soziokratischen Kreise moderiere und dort zumindest einen Teil meiner Fähigkeiten aus der Prozessarbeits-Ausbildung einbringen kann.
So stelle ich jetzt also meine schon vorhandenen Fähigkeiten in den Dienst meiner Gemeinschaft, wobei ich dabei natürlich auch immer noch dazulerne. Das bleibt nicht aus, es steht jedoch nicht mehr im Mittelpunkt meines Lebens. In diesem Sinne werde ich seit einigen Jahren konservativ.
Der erste bewusste Übergang von einer Lebensphase zu einer nächsten war, als ich 30 geworden bin und damit kein Twen mehr war. Das ging interessanterweise damit einher, dass ich mich auch dem Twenprojekt, wo ich ja einige Jahre lang sehr aktiv mitgewirkt, einfach nicht mehr verbunden gefühlt habe. Meine Twenzeit habe ich als eine Zeit des Suchens, Forschens & mich Orientierens erlebt. Das Studieren in Bielefeld habe ich sehr genossen, vor allem auch, dass man in der Uni Bielefeld ganz einfach in Veranstaltungen aller anderen Fakultäten reinschnuppern kann. Mein Horizont hat sich dadurch & später durch meine Gemeinschaftsreise sehr erweitert.
Meine Dreißiger Jahre waren stark geprägt durch das Zusammenleben mit Sabine (heute Dvarika), Maya & Konrad, ausserdem durch mein praktisches Erforschen der Wirtschaftswelt mit PC ab 50. In dieser Zeit hat sich schon das Verhältnis von Neues ausprobieren und erforschen und Bewährtes und Bekanntes in die Tat umsetzen zugunsten von Letzterem verschoben.
So habe ich erst durch meine PC ab 50-Tätigkeit meine Ausbildung als Fachinformatiker Systemintegration in einem mittelständischen Systemhaus, das ausschliesslich mit Windows-Netzwerken arbeitet, richtig schätzen gelernt. Überhaupt bin ich durch PC ab 50 nicht nur konservativ, sondern auch im IT-Bereich sehr pragmatisch geworden. Im Studium habe ich Linux kennen- & lieben gelernt, ich selber benutze es seither auf meinen Rechnern (meine Distributionsgeschichte kannst du neben anderem über das Tag “Linux” verfolgen). Während der Ausbildung habe ich noch eher widerwillig mit Windows gearbeitet, aber eben auch viel Nützliches darüber gelernt, was ich bis heute gewinnbringend anwenden kann. Meinen Kunden in Leipzig habe ich durchaus Freie Software wie Linux empfohlen, wie auch aus den Software-Empfehlungen der PC ab 50-Seite hervorgeht. Allerdings wurde mir klar, dass die meisten Leute ja keine IT-Nerds sind, sondern das Zeug einfach nur benutzen wollen und dabei in aller Regel proprietäre Software gewohnt sind. Das Wichtigste dabei ist ihnen und wurde es zunehmend auch mir, dass die Software funktioniert. Findet sich dabei eine Open Source-Lösung, die für eine Kundin funktioniert, super. Funktioniert die proprietäre Lösung, dann ist auch das in Ordnung.
Dieser Trend, Bewährtes und Bekanntes in die Tat umzusetzen, verstärkt sich jetzt Anfang 40. Und ich bin schon sehr gespannt, wie ich mit 50 drauf sein werde. :-)
Geblieben ist dabei der weite Horizont & dass ich immer neugierig bin auf das was kommt.
Nachtrag: Die Oya hatte schon mal eine Ausgabe mit dem Titel Wir werden konservativ; da ging es ganz handfest darum, Lebensmittel haltbar zu machen.
Nachtrag vom 22.07.: Ein Aspekt, der in den letzten Jahren nur noch eine untergeordnete Rolle in meinem Leben gespielt hatte, ist dieses Jahr wieder deutlich stärker geworden – Menschen und Projekte vernetzen. Exemplarisch dafür steht mein Einstieg ins Wandelbündnis und die Gemeinschafts-Vernetzung, wobei ich das jetzt anders als früher nicht mehr als Einzelperson, sondern für meine Gemeinschaft tue.
Nachtrag vom 15.02.2020: Das Vernetzen wird stärker in meinem Leben, jüngste Frucht davon ist meine Initiative, Permakultur & Klimagerechtigkeitsbewegung zu vernetzen.