Tipps für StudienanfängerInnen (nicht nur Wirtschaftswissenschaften)
Im Beitrag über Macht in der Wirtschaft hatte ich es schon erwähnt, heute steht mein begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Leipzig im Mittelpunkt. Mit meinen 35 Jahren (von denen ich gut 6 schon in Leipzig lebe und arbeite) und einem Informatik-Vordiplom habe ich gegenüber den allermeisten Erstis einige Vorteile im Studium. Auf denen will ich mich nicht ausruhen, sondern gleich zu Beginn schon mal das Wissen und die Erfahrungen weitergeben, die ich für StudienanfängerInnen für nützlich halte.
Denn durchs Studium kommt ihr viel besser durch Kooperation als durch Konkurrenz. In diesem Sinne: Tut euch zusammen! Im Studium natürlich vor allem zu Lerngruppen. In der Klausur ist Kooperation zwar nicht erlaubt, eure “Hausaufgaben” dürft ihr an der Uni anders als in der Schule nicht nur gemeinsam in Gruppen machen, ihr werdet sogar dazu ermutigt.
Für viele wahrscheinlich die größte Hürde ist Mathe. Das gilt in den Wirtschaftswissenschaften, auch in der Psychologie und viel stärker natürlich noch in den Naturwissenschaften und der Informatik. Unser Matheprof damals an der Uni Bielefeld hat in der ersten Vorlesungswoche den gesamten Stoff des Mathe-Leistungskurses wiederholt und im gleichen Tempo weitergemacht. Da ich am Montag schon in der ersten Mathe für WiWi-Vorlesung saß, kann ich sagen, dass dort das Tempo deutlich niedriger ist. Allerdings fand ich den Prof ziemlich unstrukturiert und seeehr aufs Formale ausgerichtet, daher hier mein Tipp für Mathe: Prof. Jörn Loviscach (übrigens auch von der Uni Bielefeld), der seine gesamten Vorlesungen auf YouTube stellt. Mir hat z.B. sein Mathe-Vorkurs von 2010 sehr geholfen, den Stoff aufzufrischen.
In der ersten Informatik-Vorlesung hat Prof. Eisenecker u.a. Computeralgebra-Systeme genannt, mit denen man mit Formeln rechnen kann. Es gibt davon verschiedene kommerzielle, die man für teuer Geld kaufen kann, aber auch durchaus brauchbare Freie Software. Eisenecker nannte bereits Maxima, ich habe mir alternativ auch Sage angesehen, das noch wesentlich mehr kann. Für Windows-Anwender hat es nur einen Haken: Ihr müsst es als virtuelle Maschine installieren, denn Sage gibt es nur für Linux und MacOS. Dafür braucht ihr die ebenfalls freie Software VirtualBox. Das ist ohnehin sehr sinnvoll, um Linux mal auszuprobieren. Um euch in der Linux-Welt grob zu orientieren, empfehle ich meinen Artikel auf meiner PC ab 50-Seite, den habe ich für Senioren geschrieben, damit solltet ihr also auch zurecht kommen. ;-)
Ihr werdet in den nächsten Jahren viel am Computer schreiben müssen, und das soll einerseits schön aussehen und außerdem den formalen Anforderungen des Wissenschaftsbetriebs genügen. Von Microsoft Word-Abstürzen kurz vor Abgabe der Bachelorarbeit habt ihr bestimmt schon gehört, ich halte auch die freie Alternative LibreOffice nicht wirklich für große Dokumente geeignet. Vor allem was mathematische Formeln angeht, aber auch in Sachen Schriftbild und eben Handhabung umfangreicher Dokumente, ist LaTeX (gesprochen “latech”) das Programm der Wahl. Was ist nun das wieder? Wikipedia schreibt “LaTeX ist ein Softwarepaket, das die Benutzung des Textsatzsystems TeX mit Hilfe von Makros vereinfacht.” Im Unterschied zu einer Text_verarbeitung_ geht es TeX und dessen Aufsatz LaTeX also um den Text_satz._ TeX und LaTeX sind keine Programme, um damit Texte zu schreiben, sondern formale Sprachen, ähnlich wie HTML, aus dem diese und alle anderen Webseiten aufgebaut sind. Wer wirklich intensiv mit LaTeX arbeiten will, sollte sich daher die Sprache aneignen.
Für den Einstieg reicht jedoch das Programm LyX, das die Vorteile einer Textverarbeitung mit denen von LaTeX kombiniert. Zur Erstellung der fertigen Dokumente benötigt es eine TeX-Distribution, für Windows ist diese im LyX-Bundle schon enthalten. Mac-Anwender installieren vorher noch MacTeX, unter Linux sorgt in der Regel die Paketverwaltung schon dafür, dass die benötigten Programme mitinstalliert werden. Wenn ihr LyX installiert habt, müsst ihr euch um TeX, LaTeX und deren Befehle nicht weiter kümmern. Was ihr aber noch braucht, ist eine Literaturverwaltung, denn ihr werdet in euren Hausarbeiten und erst recht in der Bachelorarbeit reihenweise Quellen zitieren. Dafür empfehle ich das Programm JabRef, welches wunderbar mit LyX zusammenarbeitet.
Wenn du darüber hinaus ins echte LaTeX einsteigen willst, ist die Deutschsprachige Anwendervereinigung TeX (kurz dante) die erste Anlaufstelle. Wenn du LyX benutzen kannst, hast du wie gesagt schon eine TeX-Installation auf deinem Rechner. Andernfalls empfehle ich TeX Live, das es für alle gängigen Betriebssysteme gibt. Da ist dann auch ein eigens auf (La)TeX zugeschnittener Editor dabei, nämlich TeXworks. Alternativ kannst du für alle Plattformen auch TeXstudio benutzen, auf dem Mac hat TeXShop einen guten Ruf. Die LaTeX-Kurzbeschreibung hat mir seinerzeit sehr geholfen, ich nutze sie auch heute noch immer wieder zum Nachschlagen einzelner Befehle.
Für Fragen zu TeX, LaTeX und LyX gibt es natürlich die Suchmaschinen, die meist schnell passende Antworten liefern. Es gibt aber natürlich auch etliche (La)TeX-spezifische Foren, in denen ihr eure Fragen stellen könnt. Bei den Recherchen für diesen Artikel habe ich die Seite TeXWelt entdeckt, eine weitere ist goLaTeX. Wenn du ein weiteres gutes Forum kennst, dann schreib nen Kommentar, ich nehme das dann noch in die Liste auf.
Abschließend empfehle ich noch KOMA-Script, das ist eine Sammlung von LaTeX-Vorlagen u.a., die vor allem auf die Besonderheiten der deutschen Sprache und Schrift eingehen.
Ganz vergessen: Zum Buchführung üben (für Technik des Rechnungswesens) eignet sich die freie Software GnuCash hervorragend. Ich benutze das Programm von Anfang an für mein Kleinunternehmen & bin zufrieden damit.
Weil ihr natürlich mit eurem Computer noch alles mögliche andere anstellt, vor allem damit im Internet unterwegs seid, schaut doch mal in die Software-Empfehlungen auf der PC ab 50-Seite. Für Windows-Nutzer habe ich anlässlich des Studienbeginns eine ganze Reihe von Tipps gesammelt.
Nun aber genug Computerzeug, ich strebe zwar ein möglichst papierloses Studium an, aber das ist wohl doch nur eine Illusion… Ihr braucht während des Studiums eine ganze Reihe von Büchern. Viele kann man bei Bedarf aus der Bibliothek ausleihen, manche sollte man aber doch zuhause im Regal stehen haben. Kaufen könnt ihr Bücher natürlich in diversen Buchhandlungen in Leipzig, wenn ihr beim Bücherkauf aber gleich noch die Entwicklung von Freier Software fördern wollt, dann bestellt doch eure Bücher bei Bookzilla. 5% jedes Umsatzes gehen dort an die Free Software Foundation Europe. Übrigens gibt es in Leipzig selbstverständlich auch eine Stadtbibliothek, die manchmal Bücher noch vorrätig hat, die in der Unibibliothek schon alle ausgeliehen sind.
Neben dem Papier der fertig gekauften Bücher werdet ihr auch viel selber ausdrucken, nicht nur im Rechenzentrum sondern auch zuhause. Mein Tipp dafür: Kauft euch einen gebrauchten Schwarzweiß-Laserdrucker, die sind günstig, halten lange, drucken schnell und günstig. Mein bevorzugter Hersteller ist Kyocera, es geht aber natürlich auch HP o.ä. Netzwerkfähige Laserdrucker könnt ihr sogar in eurer WG gemeinsam nutzen. In jedem Fall, auch wenn ihr einen Tintenstrahler habt, bekommt ihr bei Cartridge World zu vernünftigen Preisen maschinell aufgefüllte Ersatzpatronen bzw. -kartuschen. In Leipzig gibt es davon drei Filialen, die uninächste ist gleich an der Haltestelle Hohe Straße. Drucken könnt ihr natürlich in der Uni im Rechenzentrum. Für längere Dokumente wie Skripte kann sich aber auch Sedruck lohnen, die sind z.B. in der Beethovenstraße in der Nähe der Albertina.
Und damit sind wir schon bei der Stadt Leipzig, die mein Freund Rasputin (damals noch in Form der Fliegenden Untertassen, die es inzwischen nicht mehr gibt) hier besingt:
Wenn ihr euch in Leipzig zurechtfinden wollt und wissen wollt, was hier so los ist, empfehle ich das Kreuzer-Abo für die WG. Monatlich erscheint auch die Zeitschrift 3Viertel, die sich auf Lindenau, Plagwitz, Schleußig und Kleinzschocher konzentriert. Eine unabhängige Sicht auf das, was in und um Leipzig passiert, bietet auch die Leipziger Internetzeitung.
Wer handgemachte Gitarren-Rockmusik im weitesten Sinne mag (und vielleicht sogar selber macht), wird bei der Bandcommunity Leipzig fündig. In Sachen elektronische Musik ist Leipzig eine echte Fundgrube, zwei Websites mit Infos aus der Szene sind It’s Yours sowie frohfroh. Die Distillery feiert diesen Monat gerade ihr 21jähriges. Hip Hop findet hauptsächlich, aber nicht nur im Conne Island statt.
Das Kinoprogramm für Filme eher abseits des Mainstreams heißt Playerweb.
Die Computer-Interessierten unter euch können gerne mal beim Chaostreff im Sublab vorbeischauen, oder auch sich bei Freifunk Leipzig einklinken.
Die Seite Rund um Leipzig auf PC ab 50 richtet sich zwar an Senioren, ich habe dort aber auch vieles aufgelistet, was mir selbst gefällt und sich eher weniger an Senioren richtet.
Zum Schluss noch ein paar Hinweise speziell an meine WiWi-Mit-Erstis: Neben dem, was im Bachelorstudium gelehrt wird, gibt es noch eine ganze Reihe unterschiedlichster Wirtschaftstheorien. Was ihr in der Vorlesung hört, ist also nicht die ganze Wahrheit. Um diese vorhandene Vielfalt zu fördern und letztlich dann doch in die Lehre mit einzubringen, hat sich in Frankreich die Post-autistische Ökonomik gegründet, in Deutschland hat sich das Netzwerk Plurale Ökonomik der Vielfalt in wirtschaftswissenschaftlicher Forschung und Lehre angenommen. Hier in Leipzig gibt es das Konzeptwerk Neue Ökonomie. Die Hochschulgruppe Impuls an der Uni Erfurt hat einen Reader Mikroökonomik herausgegeben, der eine Menge Anregungen für kritische Fragen liefert.
Vor allem solltet ihr euch mit der Saldenmechanik vertraut machen, denn wer die beherrscht, vermeidet etliche logische Fehlschlüsse im wirtschaftlichen Denken. Knapp zusammengefasst findet ihr das Ganze auf einer Seite: die Saldenmechanik to go. Kurz gesagt geht es darum, die Grundlagen der Doppelten Buchführung zu beherrschen und auch in volkswirtschaftlichen Zusammenhängen zu berücksichtigen. Ihr solltet also bei der Technik des Rechnungswesens gut aufpassen. Bei allen zu beobachtenden Größen (nicht nur) in den Wirtschaftswissenschaften ist es sehr wichtig, zwischen Fluss- bzw. Stromgrößen (z.B. Einkommen) und Bestandsgrößen (z.B. Vermögen) zu unterscheiden. Auch dabei hilft die Saldenmechanik.
Wenn ihr Fragen und Anregungen habt, dann schreibt einen Kommentar oder meldet euch bei Google+ oder Twitter. Bei Facebook bin ich nur noch passives Mitglied, da gucke ich nur selten und unregelmäßig rein.
Oh, jetzt hab ich’s doch ganz vergessen: Wenn du Lust hast, dich mal auf einer Slackline auszuprobieren, oder wenn du sogar selber eine hast, dann melde dich auf jeden Fall! Zu mehreren macht es viel mehr Spaß, & man kann sich auch super gegenseitig Tipps geben. Das langfristige Ziel geht in die Richtung wie das, was diese krassen Franzosen machen…
Und noch ein Nachtrag: Wenn ihr schon mal für den Manageralltag üben wollt, schaut euch den Spruchklopfomat von Achimowitz an - damit gewinnt ihr jedes Bullshit-Bingo! ;-)