Fiat Money: Die Welt der unbegrenzten Möglichkeiten
Dieser Karl-Heinz Brodbeck hat’s echt in sich. Ich habe gerade seinen Text Phänomenologie des Geldes gelesen, in dem er kein gutes Haar an der herrschenden neoklassischen Wirtschaftswissenschaft lässt. Und er untersucht das Phänomen des Geldes darauf, inwiefern diesem eine wie auch immer geartete Substanz innewohnt:
Die „Substanz“ des Geldes ist also eine soziale, kollektiv erzeugte und darin zirkuläre Illusion der Geltung. Nichts am physischen Geld (Papier, Gold, Computerzahl), nichts an einer materiellen Substanz verleiht dem Geld seine Geltung. Geld hat keine Substanz – außer dem allgemeinen Vertrauen in seine Geltung. Doch dieses Vertrauen ist kein Ding, sondern ein alltäglich vollzogener Denk- und Handlungsprozess.
Damit bestätigt er, was ich zuletzt in Geldschöpfung als Quantenfluktuation geschrieben hatte. Das führe ich in diesem Beitrag weiter aus, denn damals hatte ich es noch nicht zu Ende gedacht.
Wenn Geld das ist, was es ist (in Brodbecks Worten “Geld ist nur Geld, weil es anerkannt wird als Geld”), dann gibt es keinen zwingenden Grund, warum Geld knapp sein muss. Und die heutige Praxis des Fiat Money zeigt deutlich, dass es ja jetzt schon ganz anders geht.
Wir haben dank Fiat Money die Möglichkeit, jederzeit Geld nach Belieben und nach Bedarf zu erzeugen. Knappheit ist optional geworden. Sie wird im derzeitigen Geldsystem sogar künstlich erzeugt, weil die Zentralbanken immer noch “Geldwertstabilität” als ihr Ziel betrachten.
Der Kredit hat uns als menschlicher Gesellschaft überhaupt erst die vielfältigen, nicht nur wirtschaftlichen, Möglichkeiten eröffnet, die wir bisher geschaffen haben. Das betont z.B. auch Thomas Strobl in seinem Artikel Apologie des Kredits.
Der Kreditmechanismus ermöglicht es uns Menschen, über derzeitige Begrenzungen hinauszugehen und etwas zu erschaffen, was bisher noch nicht da war.
Damit zeigt er letzten Endes aber nur, was prinzipiell auch ganz ohne Geld möglich ist. Schließlich finanzieren Unternehmen Leistungen mit etwas vor, das ja bisher noch gar nicht vorhanden ist – mit einem Versprechen, einer Wette auf die Zukunft. Und oft genug funktioniert das auch!
Im Gegensatz zu vielen, die in Fiat Money den Untergang des Abendlandes sehen, betrachte ich es als unser Ticket in die Unendlichkeit. Das ist das, was ich im Beitrag über Geldschöpfung als Quantenfluktuation den “Hinweis auf die Wirklichkeit” nannte. Wohlgemerkt, es ist nur das Ticket, wir müssen es erst noch entwerten, um dann die eigentliche Reise antreten zu können:
Wenn das Geld ohnehin nicht knapp, sondern beliebig vermehrbar ist, warum dann überhaupt noch rechnen, messen und vergleichen? Wozu noch kaufen und verkaufen? (Fiat) Money könnten wir auch komplett weglassen und ohne Geld direkt handeln.
Dazu müssen wir uns von einer Denkform verabschieden, die heute so ziemlich alle sozialen Interaktionen durchzieht: dass wir für eine Leistung (jetzt oder später) eine (möglichst “gleich-wertige”) Gegenleistung erwarten. Das Do ut des-Prinzip. Doppelte Buchführung. Damit sind wir bei der Liebe, die eben nicht auf “Geben und Nehmen” beruht, sondern auf “Geben und Geben”. Robert Heeß schreibt über den Mangel als Wurzel der romantischen monogamen Liebesbeziehung:
Die innere Angst zu verarmen ist mächtig. Voraussetzung für dieses Mangelempfinden ist, dass wir das Ich und die Welt voneinander getrennt erleben, und beides für uns nur durch Erwerbs- und Tauschbeziehungen miteinander verbundene Dimensionen sind.
Und da kann die Reise hingehen:
Das Ich wird dann nicht mehr verarmen können, weil das in diesem Kontext keine Option mehr ist. Absichtsloses Geben und Nehmen, sich hingeben und Hingabe empfangen ohne Kalkül sind dann die natürlichen Formen des Seins.
Für die Organisation unserer Gesellschaft heißt das, Märkte durch Commons zu ersetzen, an die Stelle eines allgemeinen, abstrakten Maßstabs (wie es das Geld ist) die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu setzen. Siehe dazu meinen Kommentar zu Christian Siefkes und zur Freien Kooperation. Franz Hörmann will mit dem Zwischenschritt des Informationsgeldes letztlich auf das Gleiche hinaus.
In diesem Bewusstsein Wirtschaftswissenschaften zu studieren, ist äußerst spannend! ;-)
Das Schlusswort hat heute mein Guru, das Känguru:
Update vom 10.06.: Charles Eisenstein bringt im Anhang seines Buches Sacred Economics (den gibt es online nicht ins Deutsche übersetzt) noch eine andere Sichtweise unseres Mindestreserve-Systems: Die Forderungen in Zentralbankgeld (“Bankguthaben”), die die tatsächlichen ZB-Geld-Reserven um ein Vielfaches übersteigen, sind so etwas wie quantenmechanische Superpositionen des ZB-Geldes. Erst in dem Augenblick, in dem damit tatsächlich etwas bezahlt wird (das entspricht der Messung in der Quantenphysik), wird kurzzeitig festgelegt, wo das ZB-Geld sich gerade befindet. Bis zur nächsten Messung/Transaktion ist der Quantenzustand dann wieder unbestimmt. Eine echt abgefahrene Deutung, aber durchaus nachvollziehbar.