Feindschaft macht dumm
Schon in meinem Beitrag zum Charlie Hebdo-Anschlag hatte ich vor dem Teile & Herrsche-Prinzip gewarnt, das einen Keil zwischen uns Menschen treibt. Deswegen wurde mir allen Ernstes Antisemitismus vorgeworfen. Das ist natürlich allein deshalb schon absurd, weil es da weit und breit gar nicht um Juden geht. Davon abgesehen wollte ich darauf hinaus, dass es Kräfte gibt, die uns Menschen zu Feinden machen wollen. Diese Kräfte wirken in jedem einzelnen von uns und manifestieren sich in unterschiedlichster Weise. Antisemitismus ist eine Form davon und widerspricht damit völlig den Aussagen im Charlie Hebdo-Beitrag.
Eine Vorstufe oder abgeschwächte Form von Feindschaft ist Konkurrenz, wie ich im Beitrag über Lernen im 21. Jahrhundert dargelegt habe.
Darüber hinaus macht Feindschaft tatsächlich dumm. Damit meine ich nicht, dass die einzelnen Feinde als Menschen dümmer werden, nur weil sie sich als Feinde verhalten. Sondern die Menschheit als Ganzes im Sinne der kollektiven Intelligenz wird dadurch dümmer als sie sein könnte, wenn wir alle zusammen arbeiten würden.
PEGIDA betrachtet “Islamisten” als Feinde und meint damit oft pauschal alle Muslime. “No Pegida” wiederum hält alle Pegida-Leute pauschal für gefährlich und betrachtet diese als Feinde. Und Antifaschisten handeln oft als “strukturelle Faschisten”, um mal einen gängigen Begriff zweckzuentfremden (siehe Ein Herz für Nazis).
Dabei geht es nicht darum, irgendeine Ideologie gut zu finden, die kann man immer gerne kritisieren mit Gegenargumenten. Davon wird die Menschheit nicht dümmer, sondern schlauer. Aber Leute, bitte unterscheidet doch die Ideologien von den Menschen, die sie vertreten! Auch wer eine menschenfeindliche Ideologie vertritt, ist selber ein Mensch. Und selbst wenn manche Menschen tatsächlich dumm sein sollten, hilft es doch kein Stück, ihnen das um die Ohren zu hauen. Dann werden sie sich erst recht reflexartig verteidigen.
Nicht nur Ideologien können uns trennen, sondern auch unsere gesellschaftliche Position oder andere Merkmale. Deshalb machen uns sowohl Nationalismus als auch Klassenkampf als auch Glaubenskriege dumm, ebenso Sexismus und Rassismus. Das tun sie einerseits, weil sie uns gegeneinander statt miteinander arbeiten lassen, und andererseits, weil sie uns zu Gruppen zusammenfassen und dabei die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen unter den Tisch kehren. Ich will also keineswegs alle Unterschiede zwischen den Menschen aufheben. Es gibt bloß keinen zwingenden Grund, gegen jemand zu sein, nur weil dieseR anders ist oder es ihr/ihm (vermeintlich) besser geht.
Krishnamurtis Ansprache über Beziehung gehört auch hier hin, wo er z.B. sagt
Beziehung bedeutet Kontakt, Verbundenheit. Es kann keine Verbundenheit geben, wo Menschen durch Ideen getrennt sind.
Wir kommen weiter, wenn wir an die Möglichkeit glauben, dass Menschen ihre Überzeugungen ändern können. Wenn wir glauben, dass Menschen lernfähig und -willig sind, und wenn wir daran glauben, dass es Lösungen gibt, bei denen wir alle gewinnen. Solche Lösungen beruhen darauf, alle Menschen als einzigartige Wesen zu sehen, die alle wertvoll fürs Ganze sind und etwas beizutragen haben, was niemand sonst beitragen kann. Sonst wären sie schließlich nicht hier.
Ich sage nicht, dass das leicht wird, eher im Gegenteil, denn auch z.B. die IS-Leute gehören zum Ganzen. Und vor diesem Hintergrund ist es noch mal trauriger, dass sich so viele Menschen entscheiden, diese Welt vorzeitig zu verlassen.
Timothy Leary sagt “Das Universum ist ein Intelligenztest”. Also, strengen wir uns an!
Update vom 16.01.: Damit niemand auf die Idee kommt, ich sei reaktionär: Klassenkampf von oben ist noch wesentlich dümmer als Klassenkampf von unten. Denn dabei beschneidet eine kleine Minderheit die Potenziale einer großen Mehrheit.
Und soeben habe ich Christoph Siebers Videoblog gefunden, wo er ins gleiche Horn stößt und darauf hinweist, dass wir uns nicht spalten lassen sollten:
Update vom 21.01.: Als persönlichen Beitrag kann jedeR von uns sich immer wieder die Frage stellen Will ich Recht haben oder glücklich sein?
Update vom 02.02.: Der Artikel Die Angst vor unserer eigenen Macht ist eine hervorragende Ergänzung zu meinen Ausführungen. Kleiner Appetitanreger:
Es bedarf keiner geballten Demonstration zu Tausenden „gegen jemand oder etwas“. Das erzeugt nur einen immer größer werdenden Dämon auf der Leinwand des göttlichen Spiegels. Es ist in Wahrheit nur ein Kampf gegen sich selber – nur erkennen das nicht viele Menschen. Dieses Erdensystem ist ein gigantisches Spiegelkabinett, das einzig einem Zwecke dient: „Mensch erkenne dich selbst“.