Das Prinzip Führung
Auf Anregung von Wolfgang Berger in dessen Buch Business Reframing habe ich mir aus der Unibibliothek das Buch “Sternstunden der Führung” von Hans-Christian Altmann ausgeliehen und inzwischen durchgelesen. Es dürfte eigentlich niemand einen MBA verliehen bekommen, ohne dieses Buch verinnerlicht zu haben. Leider wird es allerdings vom verlag moderne industrie nicht mehr aufgelegt und ist auch gebraucht nicht mehr zu bekommen. Um diesen Missstand zu beheben, habe ich schon Kontakt zur Initiative Kulturwandel in Unternehmen aufgenommen, dass die sich doch mal reinhängen, eine Neuauflage zu veranlassen (& ggf. zu finanzieren). Ihr könnt auch gerne Mails an Verlag & Autor schreiben, das Buch ist nämlich absolut lesenswert.
Da das Buch so komplett vergriffen ist, fasse ich in diesem Beitrag die wesentlichen Punkte zusammen, ergänzt durch meine Analyse des Punktes, in dem Altmann zu kurz greift: nämlich dass er das Prinzip Führung immer noch an einzelnen Personen festmacht. Historisch war das zwar so, aber wie ich schon im Zusammenhang mit unserer Lern- und Prüfungskultur geschrieben habe, sind die Herausforderungen unserer Zeit so groß, dass wir sie nur noch gemeinsam bewältigen können. Einzelne sind damit hoffnungslos überfordert.
Nun ist natürlich besonders in Deutschland das “Prinzip Führung” durch das Führerprinzip verseucht, was aber gerade genau diese Grenzziehung verdeutlicht: Das Führerprinzip besagt, dass Der Führer sagt wo’s lang geht und alle anderen brav hinterhermarschieren. Und diejenigen, die das nicht tun, kriegen’s mit Militär & Geheimpolizei zu tun (der Bundesnachrichtendienst ist die direkte Nachfolgeorganisation der Nazi-Organisation Gehlen).
Die Prinzipien, die Altmann anhand vieler historischer Beispiele herausarbeitet, sind andere. Aus genau diesem Grund tauchen Hitler, Goebbels & Co. auch gerade nicht unter seinen “Sternstunden der Führung” auf.
Der Einfachheit halber zitiere ich die wesentlichen Punkte aus der Einleitung, die auch die konkreten Führungspersönlichkeiten aus der Geschichte auflistet:
- das Schaffen eines Teamgeistes durch das Prinzip der Ebenbürtigkeit (Themistokles)
- die bewusste Identitätsentscheidung vor jeder Herausforderung (Hannibal)
- das inszenierte Vorbildverhalten (Alexander der Große)
- die Herausforderung, über sich selbst hinauszuwachsen (Papst Julius II.)
- die Konzentration auf Mitarbeiter-Stärken (Maria Theresia)
- die Motivation durch Kultur: durch Wertvorstellungen, Symbole und Gesten (Friedrich der Große)
- die Führung zu außerordentlichen Leistungen durch Mitsprache und Mitbeteiligung, durch Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein (Nelson)
- die Motivation durch erlebte und nachvollziehbare Visionen (Gandhi) Untersucht man diese spektakulären Führungserfolge in der Geschichte, erkennt man drei entscheidende Gesetzmäßigkeiten, die auch heute noch für jeden Führungserfolg gelten: ** 1. Die Grenzen der Persönlichkeit sind die Grenzen der Führungs- und Motivationsfähigkeit!
Deshalb ist die Förderung der Persönlichkeit wichtiger als jede Vermittlung von reinem Führungswissen. Die acht Führungspersönlichkeiten in diesem Buch bieten den besten Beweis dafür. 2. Alle großen Führungspersönlichkeiten gingen davon aus, daß jeder Mensch – richtig geführt – den Wunsch hat, das Beste aus sich zu machen und über sich hinauszuwachsen.
Ohne dieses positive Menschenbild kann es keine Spitzenleistungen in der Führung geben. Denn jedes andere Menschenbild führt automatisch zu einer negativen Erwartungshaltung und damit früher oder später zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Das beste Beispiel in positivem Sinne dafür liefert Nelson, der aus zwangsrekrutierten Kriminellen und Landstreichern die schlagkräftigste englische Seestreitmacht aller Zeiten formte. 3. Spitzenleistungen ergeben sich bei den Mitarbeitern nicht von selbst! Sie müssen von einer Führungspersönlichkeit mit ebenso viel Geduld wie Unnachgiebigkeit bewußt herausgefordert werden!
Ralph Waldo Emerson, der amerikanische Philosoph, sagte dazu: “Die Tragik vieler Menschen besteht darin, daß sie nie jemand aufforderte, über ihre Grenzen hinauszuwachsen!” Genau das aber ist in Wirklichkeit die Sehnsucht vieler Menschen, deren Fähigkeiten und Talente in ihrem Inneren schlummern und darauf warten, von jemandem zum Leben erweckt zu werden.**
Damit sind wir auch schon wieder bei Gerald Hüther, der als Hirnforscher zu der Erkenntnis gekommen ist, dass über sich selbst hinauswachsen eine Grunderfahrung bereits des Embryos im Mutterleib ist.
Mein größter Kritikpunkt an Altmanns Buch ist, wie oben schon erwähnt, dass er Führung immer noch an einzelnen “Führungspersönlichkeiten” festmacht. Das reicht heute nicht mehr, und es gibt auch schon Konzepte, wie wir das Prinzip Führung innerhalb einer Organisation verankern können. Bisher am ausgereiftesten ist in der Hinsicht meines Erachtens nach Holakratie bzw. Holacracy. Weitere Stichworte wie Postheroische Führung finden sich im Beitrag über Big Data.