Bradley Manning: Lehren für Whistleblower und Journalisten
Dass Bradley Manning bzw. inzwischen Chelsea Manning nun zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, habe ich zum Anlass genommen, mal das Protokoll seines Chats mit Adrian Lamo zu lesen. Da macht er sich komplett nackig vor Adrian Lamo, & man erfährt eine ganze Menge über seine persönlichen Hintergründe.
Im Gegensatz zu Snowden wird Putin für Manning keine Sympathien hegen…
Es ging ihm offenbar ziemlich dreckig zu der Zeit. Trotzdem war es im Rückblick sein größter Fehler, sich Lamo (oder überhaupt jemandem) anzuvertrauen.
Daraus ergeben sich ein paar Lehren für Whistleblower: Du kannst sehr, sehr einsam sein in so einer Situation. Aber 35 Jahre im Militärgefängnis sind wahrhaftig auch kein Zuckerschlecken. Ich empfehle daher folgende Verhaltensregel: Leake deine Dokumente & dann halte still. Kein Wort zu niemandem. Wenn’s sein muss bis an dein Lebensende.
Denn um den Effekt für die Öffentlichkeit zu erzielen, den er wollte, war dieser Chat mit Lamo nicht notwendig. Die Dokumente waren in der Queue bei Wikileaks, der Stein war im Rollen. Für die Sache konnte Manning nichts weiter tun, wohl aber für sich selbst. Und da war es eben leider falsch, sich jemandem anzuvertrauen.
Ich trete ja für vollkommene Transparenz ein & bin absolut gegen jegliche Geheimhaltung, aber hier geht es nur um seine Identität an sich. Dass er die Dokumente geleakt hat, hat ja für Transparenz in bisher nie da gewesenem Ausmaß gesorgt. Wer solcherart geheim gehaltene Tatsachen aufdeckt, riskiert großen Schaden für seine eigene Person & auch alle Angehörigen. Um das zu vermeiden, legen Enthüllungsplattformen wie Wikileaks oder Cryptome größten Wert auf die Anonymität ihrer Quellen.
Edward Snowden wählte eine andere Strategie, er machte seine Identität von Anfang an publik. Das ist auch eine Art von Lebensversicherung, denn als öffentliche Person können die US-Dienste ihn sich nicht mehr einfach in einer verdeckten Operation schnappen & irgendwo in einer Baracke zu Tode foltern, ohne dass das jemand mitkriegt.
Whistleblower, Journalisten, Anwälte oder auch Ärzte, die mit sensitiven Daten hantieren, sollten sich mal ausgiebig mit Ubuntu Privacy Remix beschäftigen. Denn auch wenn es ganz ohne Vertrauen nicht geht, sollten speziell diese Berufsgruppen mit einem verlässlichen System arbeiten, das nur mit extrem hohem Aufwand ausspioniert werden kann.
Investigativen Journalisten, die elektronisch Kontakt zu anonymen Quellen halten wollen, sollten dafür Tails Heads (das ist eine Variante von Tails ohne systemd) verwenden, das in einem ebenfalls abgeschotteten System alle Internetzugriffe über Tor routet. Durch das Live-System kann man sich, im Gegensatz zum Privacy Dongle des Digitalcourage e.V., ziemlich sicher sein, dass keine Hintertür im System die Anonymisierung aushebelt.
Tor kann zwar nicht garantieren, dass die NSA dich nicht identifiziert, bietet aber für viele Zwecke hinreichende Anonymität. Ob das im Einzelfall reicht, muss jeder selbst einschätzen.
Beim Chatten ist OTR Pflicht, z.B. über den Jabber-Server des CCC.
Update vom 23.08.: Eine Alternative zum Tor-basierten Tails ist die JonDo-Live-CD, am besten kombiniert mit einem Premium-Tarif. In jedem Fall solltest du beim Anonymisieren derzeit IPv6 im Betriebssystem abschalten, um nicht darüber doch identifiziert zu werden. Der Dank für diese Hinweise gebührt mal wieder der c’t, in diesem Fall dem Security-Sonderheft. Das enthält zwar auch die von mir kritisierten Artikel, darüber hinaus aber eine ganze Menge nützliche & aufschlussreiche Informationen. Das Heft enthält auch einen Gutscheincode für 1,5 GB JonDo-Traffic, gültig bis 31. Januar 2014. Das Verschleiern der IP-Adresse reicht übrigens bei weitem nicht, um im Web anonym unterwegs zu sein, wie die EFF mit ihrer Panopticlick-Seite demonstriert.
Nun aber genug der Technik. Bitte unterzeichnet die folgenden vier Petitionen, Nummer 1 an das Norwegische Nobel-Komitee: Friedensnobelpreis für Bradley Manning und Edward Snowden. Die zweite Petition Stand with Bradley Manning hat schon über 25.000 Unterzeichner, erfreulicherweise größtenteils aus den USA. RootsAction hat ebenfalls zwei Petitionen: Bradley Manning’s Nobel Peace Prize und Mr. President, Hands Off Edward Snowden!
Übrigens, ich hatte ja schon geschrieben dass die Geheimdienste nicht wissen was sie tun. Sie überwachen alles und jeden, aber die Uploads von Manning aus der Militärbasis heraus fielen nicht auf, weil - festhalten - “its not a priority” (O-Ton der NSA-Mann seiner Basis).
Das Interview mit Elie Wiesel, das Manning an einer Stelle erwähnt, solltet ihr euch auch anschauen. Er spricht vor allem über die Gleichgültigkeit & das Schweigen derjenigen, die von Gewalt und Verbrechen wissen.
Oslo Freedom Forum - Elie Wiesel and Soledad O’Brien from OsloFreedomForum on Vimeo.
Update vom 02.01.2021: Bei der remote Chaos Experience gibt es ein sehenswertes Gespräch zwischen Stefania Maurizi, John Goetz und Andy Müller-Maguhn zum Thema Ethical Hackers + Investigative Journos… GAME OVER?.