Wenn sich Edward Snowden und Alexei Nawalny beide gegen Zensur von Trump aussprechen, läuft etwas gewaltig schief
Wir leben in interessanten Zeiten. Dabei ist das Jahr 2021 gerade mal erst 10 Tage jung.
Edward Snowden schreibt bei Twitter zur Sperrung von Donald Trumps Account bei Facebook:
Facebook officially silences the President of the United States. For better or worse, this will be remembered as a turning point in the battle for control over digital speech.
Und weiter:
I know a lot of folks in the comments read this are like “YAAAAS,” which, like—I get it. But imagine for a moment a world that exists for more than the next 13 days, and this becomes a milestone that will endure.
Und Alexei Nawalny (ja, der bekannte russische Rechtspopulist) kritisiert mit den gleichen Argumenten Trumps Sperrung bei Twitter. Nawalny schreibt bei Twitter:
This precedent will be exploited by the enemies of freedom of speech around the world. In Russia as well. Every time when they need to silence someone, they will say: ’this is just common practice, even Trump got blocked on Twitter'.
Das sollte zu denken geben. Mal sehen, wie lange das 1984-Hörbuch noch bei YouTube zu hören sein wird…
Wir erinnern uns, auch das Urheberrecht wird gerne als Zensur-Keule missbraucht.
Nachtrag: Fefe erkennt immerhin an diesem Punkt auch den Ernst der Lage:
Aber bedenkt mal bitte kurz, was das für ein Dammbruch ist, den die da gerade vollzogen haben. Vergleicht das mal mit der Abgeordneten-Immunität, die ja ursprünglich geschaffen wurde, damit die Regierung nicht gegen kritische Oppositionspolitiker vorgehen kann. Will sagen: Das hat ja schon einen Sinn, dass Politiker frei reden dürfen. Das ist nicht bloß ein Privileg aus Zeiten, in denen der Adel regiert hat.
Jetzt haben wir einen Präzedenzfall, dass man Politiker für ihre Äußerungen in sozialen Netzwerken dort sanktionieren lassen kann. Richter, Geschworene und Henker sind alle Big Tech.
Nachtrag vom 11.01.: Trotz Nawalnys Kommentar ist das Ganze auch für Russia Today eine Steilvorlage.
The significance of Silicon Valley’s involvement can not be overstated. Big Tech worked hand-in-glove with big government to de-person the president of the United States of America and prevent his supporters from organizing. […]
As the country’s most despicable journalists and pundits cheer for the unaccountable tech tyrants, budding dictators abroad are surely taking notes. Building relationships with the tech titans is the modern equivalent of seizing a television studio, and popular movements can be easily suppressed with their cooperation. If the world’s loudest and proudest democracy is doing it, why can’t they?
Weiterer Nachtrag vom 11.01.: Angela Merkel hat offenbar begriffen, dass es sie und ihre Regierung auch treffen könnte…
„Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist von elementarer Bedeutung“, sagte Seibert weiter. Eingriffe könne es daher nur entlang der Gesetze und innerhalb des durch den Gesetzgeber definierten Rahmens geben und „nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen“, sagte Seibert. Deswegen sehe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) es als problematisch an, dass die Konten des US-Präsidenten dauerhaft gesperrt worden seien.
Und noch ein Nachtrag vom 11.01.: Bei neunetz.com gibt es eine differenzierte Analyse des Problems, Twitter und Trump und die Zukunft von Staatsoberhäuptern auf Netzwerken – mit dem Fazit, dass auf lange Sicht die Staaten den Plattformen Regulierungen für Accounts von Staatsoberhäuptern vorgeben werden. Interessant dabei ist diese Einschätzung:
Diese Unternehmen wollen diese Macht nicht. Sie wollen nicht ihr Staatsoberhaupt sperren. Sie wollen nicht als Kingmaker gesehen werden. In diesem Fall würde es nur harte Regulierung nach sich ziehen.
Derweil habe ich mich das erste Mal bei Breitbart umgesehen & dort einen Artikel gefunden, der eine lange Latte von offiziellen Stellungnahmen gegen die Sperrung von Trump in verschiedensten Ländern auflistet: France, Germany, Mexico, Australia Join International Outcry over Censorship of Donald Trump.
Nachtrag vom 12.01.: Der Telemedicus ordnet das Ganze als “alten Hut” ein.
“Einmalig”, ein “folgenreicher Tabubruch” und gar eine “Zeitenwende” – Kommentator*innen staunen über die Sperrung der Online-Konten von Donald Trump. Doch ist die politische Stummschaltung durch große Tech-Konzerne wirklich eine neue Entwicklung? Bereits seit Jahrzehnten ringen (auch) in Deutschland Politik und Gerichte mit der Online-Macht von Big Tech. Und die Erfahrung lehrt, dass es bisher auf drei Elemente ankam: zeitgemäße Regeln, deren konsequente Durchsetzung und – vor allem – politischen Opportunismus.
Weiterer Nachtrag vom 12.01.: Das war ganz an mir vorübergegangen – die Sperrung von Trumps Konten ist offensichtlich die Rache für seine Executive Order on Preventing Online Censorship vom 28. Mai 2020. Hier noch seine Anmerkungen dazu von damals. Ausschnitt aus der Executive Order:
In a country that has long cherished the freedom of expression, we cannot allow a limited number of online platforms to hand pick the speech that Americans may access and convey on the internet. This practice is fundamentally un-American and anti-democratic. When large, powerful social media companies censor opinions with which they disagree, they exercise a dangerous power. They cease functioning as passive bulletin boards, and ought to be viewed and treated as content creators.
Vor dem Hintergrund kann ich die Sperrungen nur als ein lautes “Ätsch!” gegenüber Trump deuten.