Vollgeld ist voll daneben
In den letzten Tagen habe ich mich intensiv mit dem beschäftigt, was Renée Menéndez in seinem Blog soffisticated über Wirtschaft im Allgemeinen und Geld im Speziellen schreibt. Das ist eine ganze Menge Stoff und außerdem auf hohem (Abstraktions-) Niveau geschrieben, weshalb ich gar nicht den Versuch wage, meine Erkenntnisse in wenige Worte zu fassen. Lest euch lieber selbst ein, das bildet! :)
Jedenfalls hat mich die Lektüre davon überzeugt, dass ich mit dem Vollgeld-Konzept von Joseph Huber hier gefährliches Halbwissen verbreitet habe. Das hat nun ein Ende.
Den Ausschlag hat der Beitrag über Vollgeldspielereien gegeben, wobei die Diskussion in den Kommentaren den Umfang des Artikels um ein Vielfaches übersteigt. Überhaupt habe ich selten ein Blog mit so geistreichen Kommentaren gesehen.
Für den grundsätzlichen Einstieg in Menéndez’ Argumentation eignet sich die dreiteilige Artikelreihe “Logische Typenlehre und die Ökonomie” (Teil 1, Teil 2 und Teil 3).
In einem Kommentar zu Teil 2 sind zwei wesentliche Sätze enthalten, die Licht ins Dunkel des “Giralgeldes” bringen:
Forderungen und Verbindlichkeiten müssen sich auf etwas beziehen, was nach dessen Übergabe die entsprechende Schuldbeziehung löscht. […]
Rein rechtstechnisch gesehen ist immer eine Sache Gegenstand einer Schuldbeziehung.
In Schuldverhältnissen zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken kann daher nur Zentralbankgeld die Sache sein, die das Schuldverhältnis auslöschen kann. Deshalb ist bei Überweisungen von einer Bank zur anderen auch immer Zentralbankgeld im Spiel.
Erst im Verhältnis von Nichtbanken zu Banken kann neben dem Zentralbankgeld auch eine Forderung an eine Geschäftsbank (lautend auf Zentralbankgeld!), im Volksmund “Bankguthaben” genannt, zur Tilgung einer Schuld dienen.
Damit löst sich die Behauptung in Wohlgefallen auf, dass private Geschäftsbanken Geld aus Luft schöpfen könnten. Das können sie nämlich eben gerade nicht, sondern nur Geldforderungen buchen.
Diese Überlegungen bringt Renée Menéndez im Beitrag 1/2/3-stufige Geldsysteme noch mal komprimierter auf den Punkt.
Es bleibt allerdings noch die Frage, wie das unzweifelhaft zu beobachtende exponentielle Wachstum der Schulden und Guthaben zustande kommt, wenn die verbreitete Erklärung der Geldschöpfung aus dem Nichts wegfällt. Ich vermute allerdings, es läuft auf die alte Erkenntnis von Paul C. Martin hinaus, dass der Staat als “infallibler Schuldner” immer weiter aufschuldet, wodurch der Zinseszinseffekt voll durchschlägt. Einen Anhaltspunkt dafür liefert der Artikel Wird aus Geld “Mehr-Geld”?
Übrigens stimme ich durchaus nicht in allen Punkten mit Herrn Menéndez überein, beispielsweise schätze ich David Graebers historische Analyse in seinem Buch Schulden: Die ersten 5000 Jahre völlig anders ein als Menéndez in seinen beiden Beiträgen dazu.
Und die Monetative in der Ausarbeitung von Jörg Buschbeck habe ich noch nicht zu den Akten gelegt, das sieht mir bisher wie ein ganz brauchbarer Ansatz aus.
Nachtrag: Dieser Beitrag ist Teil 1 von 3, hier die beiden anderen Beiträge über meine ökonomischen Denkfehler: