Kalter Zuckerentzug
Diesen Beitrag wollte ich eigentlich längst veröffentlicht haben, durch die Wartezeit kommt nun allerdings noch Wesentliches dazu.
Es fing damit an, dass ich die Sendung Vorsicht Zucker: Die verborgene Gefahr von Harald Lesch gesehen habe. Das erinnerte mich schmerzlich daran, dass ich bereits 2006 der Zuckerindustrie den Krieg erklärt hatte, damit allerdings zunächst kläglich gescheitert war und meine ganze Initiative (persönlich auf Zucker zu verzichten) damals schnell wieder im Sande verlaufen war. Mir fiel dann neben meinem persönlichen Versagen auch wieder ein, dass ich in Das Ende der Megamaschine vom Zucker als Motor der Industrialisierung gelesen hatte.
Dann fing ich wild an weiter zu recherchieren und fand auch beim Deutschlandfunk einen Beitrag über die Droge Zucker.
Martin Dehnke, unser Soziokratie-Berater, hatte schon im Jahr 2002 beim Dresdner coloRadio ein Feature über die Droge Zucker gemacht, das damals den Alternativen Medienpreis gewann.
Dieses wiederum erinnerte mich an den Geschichtsunterricht, als ich vom Dreieckshandel das erste Mal erfuhr. Dass es dabei vor allem um Zucker ging, wurde mir jetzt erst richtig klar. Wikipedia schreibt:
Ab April segelten die Schiffe überwiegend mit Zuckerprodukten beladen in ihre Heimathäfen zurück, um die Fracht auf dem europäischen Markt gewinnbringend zu verkaufen. Die Schiffe kamen im europäischen Frühsommer zu Hause an.
Bei meinen Recherchen entdeckte ich dass Edeka in Sachen Zucker-Reduktion mit gutem Beispiel vorangeht. Das gilt ebenso für die Edeka-Tochter Netto, die durch drastische Werbung aufgefallen ist.
Beim Schweizer Rundfunk fand ich einen Zweiteiler, Teil 1 Zucker – das moderne Gift, Teil 2 Zucker: Süsses Geschäft. Man kann da hochdeutsche Untertitel anschalten, ich für mein Teil verstehe das Schwyzerdütsch grösstenteils nicht.
Weiterhin fand ich die Website Sugar Politics von Cristin Kearns, die aufgedeckt hat, wie die US-Zuckerindustrie in großem Stil Studien verfälscht hat, um die Schädlichkeit von Zucker zu leugnen.
Ein weiterer wichtiger Akteur in der Anti-Zucker-Front ist Robert Lustig.
Diese beiden arbeiten, neben anderen, bei SugarScience an der Uni San Francisco.
Arte hatte auch mal eine Doku über Die große Zuckerlüge.
Das Ärzteblatt weiss zu berichten: Zuckerstoffwechsel: Kalorien sind nicht alle gleich.
Foodwatch hat eine Infoseite Wenn Essen krank macht über Zucker, Fett & Co. Besonders lesenswert in unserem Zusammenhang ist die Seite über Zucker-Mythen.
Das Deutsche Technikmuseum, zu dem ich in ein paar Minuten hinlaufen kann, allerdings seit 3 Jahren immer noch nicht drin war, hat eine Ausstellung über Zucker. Die nehme ich zum Anlass, nun tatsächlich mal hinzugehen.
Schliesslich habe ich mir noch Das Zuckerbuch von Werner Pieper bestellt und angefangen zu lesen.
Theresa Bäuerlein schreibt sogar, Zucker könnte noch schlimmer sein, als du denkst und bezieht sich dabei auf ein Buch von Gary Taubes.
Teile der Informationen habe ich in meine Zeitleiste zu Psychiatrie und Antipsychiatrie eingearbeitet; immerhin reden wir über ein starkes Suchtmittel, das weltweit sehr weit verbreitet ist.
Nachdem ich diesen Berg von kritischen Informationen einigermaßen verdaut hatte, beschloss ich, mich selbst auf kalten Zuckerentzug zu setzen. Dabei dehnte ich das gleich auf eine Candida-Diät aus, um vor allem auch hoch verarbeitete Kohlehydrate wie Weißmehl wegzulassen. Dabei fing ich endlich an, das Stadt-Kräuter-Buch zu lesen, das schon monatelang bei mir rumgammelte. Früher hatte ich mir immer wieder mal einen grünen Smoothie aus Wildkräutern zubereitet, nun aß ich meinen ersten Wildkräutersalat, der sehr lecker schmeckte.
Was bei dieser Diät für mich neu war: als Jugendlicher hatte ich schon mal sogar ein ganzes Jahr lang auf Süßigkeiten verzichtet, das allerdings eben als einen großen Verzicht bis hin zur Selbstkasteiung empfunden. Das konnte natürlich nicht funktionieren. Diesmal ließ ich Zucker & verarbeitete Kohlehydrate weg in dem Bewusstsein, dass das meinem Körper gut tut. Das war ein ganz wesentliches Reframing, das mir das Weglassen deutlich erleichterte.
Geplant hatte ich diese Diät für sechs Wochen, allerdings wäre meine Woche in Kroatien in die Endphase gefallen. Da mir klar war, dass ich das dort so radikal nicht würde durchhalten können, beendete ich die radikale Diät nach vier Wochen, hielt mich beim Zucker selbst und direkten Süßigkeiten aber auch in Kroatien noch sehr zurück.
Als ich dann wieder zurück war, wurde ich allerdings rückfällig und aß wieder Süßigkeiten. Das ist das, was ich sonst als Nachtrag hätte ergänzen müssen, nun ist es gleich Bestandteil des eigentlichen Beitrags und verdeutlicht, wie stark die Zuckersucht wirkt.
Der aktuelle Stand ist, dass ich in der letzten Schwitzhütte die Zuckersucht weggegeben habe. Aus eigenem Antrieb nehme ich so wenig Zucker wie möglich, wenn ich etwas Süßes angeboten bekomme, verzichte ich aber nicht grundsätzlich, sondern sage auch mal ja. Drückt mir die Daumen, dass es mir gelingt!
Damit verbindet sich die Bitte:
Bitte schenkt mir ab sofort keine Süßigkeiten jeglicher Art mehr!
Selbst wenn ich sie dann wegschmeiße, habt ihr sie schon gekauft und damit dem Markt signalisiert, dass es eine Nachfrage nach Zucker gibt, was in dem Fall gar nicht stimmt.
Nachtrag vom 30.10.: Habe im Zucker-Buch von Werner Pieper weitergelesen, vor allem das Kapitel über die Geschichte des Zuckeranbaus, die zu großen Teilen mit der Geschichte des Sklavenhandels übereinstimmt. Dadurch bin ich nun zu dem Schluss gekommen: Wenn ich Zucker weglasse, tue ich nicht nur meinem Körper etwas Gutes, sondern auch der Erde und den Menschen des globalen Südens. Pieper zitiert viel aus dem Zucker-Buch von Al Imfeld, ebenso von Sidney Mintz. Der Zuckerrohranbau ist bis heute geprägt von Ausbeutung, Sklaverei und Kolonialisierung, siehe dazu auch der Zeit-Artikel Einst war er Luxus der Könige. Ausgebeutet werden dabei Menschen und Erde, denn wie Wikipedia schreibt:
Der Wasserbedarf der Pflanze ist sehr hoch.
Dieser hohe Wasserbedarf gilt übrigens für die eng mit Zucker verbundene Droge Kaffee ebenfalls.
Weiterer Nachtrag vom 30.10.: In Marc-Uwe Klings dystopischem Roman QualityLand kommen die so genannten FeSaZus vor, das sind “Snacks”, die zu je einem Drittel aus Fett, Salz und Zucker bestehen.
Nachtrag vom 14.11.: Die AOK hat eine Kampagne Weniger Zucker ist süß.
Nachtrag vom 21.11.: Es gibt neue Untersuchungen zu der Frage Was ist schädlicher: Fett oder Zucker?
Die Autoren weisen daraufhin, dass “sowohl kohlenhydratreiche, fettarme als auch kohlenhydratarme, fettreiche Diäten Vorteile für verschiedene Populationen oder für unterschiedliche klinische Ergebnisse” haben können. Die entscheidende Herausforderung sei vielleicht, das optimale Nährstoffverhältnis für eine Person zu identifizieren.
Nachtrag vom 10.06.2019: Neue Erkenntnisse im Beitrag Evidenzbasierte Ernährung!