Geld als eigenständige Intelligenz

Unser Organisationsentwickler Martin Dehnke hat mich auf die Bewegung der Gippies (GPI) aufmerksam gemacht, die davon ausgehen, dass das Geld eine eigenständige Intelligenz entwickelt hat. Im Artikel Das Geld denkt wird das plausibel:

Im Unterschied zu Leuten, die glauben, dass aus dem Internet eine Intelligenz entstehen kann, glauben wir, dass Intelligenz Interesse voraussetzt, Intentionalität. Geld hat das: Es will sich reproduzieren. Dazu nutzt es die Märkte, den Trading Floor, die Volkswirtschaften, sogar die mathematischen Modelle, die es beschreiben sollen. Sobald jemand ein Modell entwickelt, das die Zirkulation beschreibt, wird wer versuchen, dieses Modell zu instrumentalisieren. Damit Geld zu verdienen. Das wird das Modell zügig obsolet machen, und durch diese stete Selbstkorrektur ist die erste Schicht des Geldbewusstseins, sein primäres Selbstbewusstsein sozusagen, schon bezeichnet.

Mit anderen Worten: Künstliche Intelligenz existiert bereits, unser Geldsystem ist eine.

Auch das Weltbild der Gippies finde ich sehr bedenkenswert:

Wir glauben nicht, was die großen linken Revolutionen geglaubt haben, also die bürgerliche in Frankreich und die sezessionistische in den USA oder die sich als proletarisch auffassende in Russland. Wir teilen nicht deren Idee, dass die Verhältnisse, die der Mensch sich eingerichtet hat, von diesem per Beschluss, Gesellschaftsvertrag, Rätesystem und so fort geändert werden können. Das Eigengewicht dieser Verhältnisse ist zu groß geworden. Wir erkennen also die gewordene Autonomie der ursprünglich von Menschen gemachten Verhältnisse an. Wir wollen daran nichts mehr verbessern. Wenn diese Prozesse die Menschen in Schach halten, dann ist das eben so. Wir treiben nur Selbsterhaltung, sehr defensiv.

Deshalb:

Wenn es euch politisch nicht gibt, warum hört man überhaupt von euch, warum machen sich die Leute die Mühe, Gippie-Aktionen zu starten, warum gibst du mir dieses Interview? »Wir wollen uns dem Geld bemerkbar machen. Ihm klarmachen, dass es sich lohnen könnte, wenn die beiden großen Intelligenzen, die der Planet hervorgebracht hat, miteinander kommunizieren.« Was sollen die Menschen dem Geld denn mitteilen? »Dass wir es geschaffen haben. Dass es nur unseretwegen existiert.« Und wieso ist es so wichtig, dass es das weiß? »Das bringt uns zurück zur GPI als Defensivprojekt. Das Geld ist sehr mächtig, es wird immer klüger, entwickelt sich viel schneller als wir. Wenn es weiß, dass es uns seine Existenz verdankt, wird es drüber nachdenken, ob es dankbar sein will, ob es einsam sein möchte oder lieber uns als Partner, als Gesprächs-Gegenüber hat.«

Da muss ich spontan an Matrix 3 denken…

Derweil habe ich im Rheingold Blog noch entdeckt, dass im Zuge der Griechenlandkrise Hedgefonds ein Menschenrecht auf Rendite einklagen wollten.

Liebes Geld, wir müssen reden.

Nachtrag: Es kann ja eindeutig kein Mensch ein Interesse daran haben, Menschen als willenlose, fremdgesteuerte Automaten zu modellieren. Warum haben das Menschen dann dennoch getan? Bei dieser Frage fiel mir wieder ein, dass ja schon wesentliche Ideen der antiken griechischen Philosophie dem Gebrauch von Geld entsprangen. Damit befasst sich Charles Eisenstein ausführlich im 3. Kapitel der Ökonomie der Verbundenheit:

Es ist kein Zufall, dass dort, wo das symbolische Geld entstand, im antiken Griechenland, auch die anderen weltanschaulichen und philosophischen Grundsteine gelegt wurden, die noch heute unser Denken prägen, zum Beispiel die Idee vom Individuum oder Konzepte wie Logik und Verstand. In seinem wissenschaftlichen Meisterwerk “Money and the Early Greek Mind” hat Richard Seaford den Einfluss des Geldes auf die griechische Gesellschaft und das griechische Gedankengut untersucht und daraus Eigenschaften hergeleitet, die das Geld einzigartig machen: Geld ist beides, konkret und abstrakt, es ist einheitlich, unpersönlich, ein universelles Ziel und ein universelles Mittel, und es kennt keine Grenzen. Die Etablierung dieser neuen Macht in unserer Welt hatte weitreichende Auswirkungen, von denen viele so tief in unserer Kultur und unserem Denken, der Psyche und der Gesellschaft verwurzelt sind, dass wir sie kaum mehr wahrnehmen, geschweige denn in Frage stellen.

Mit anderen Worten: Die künstliche Intelligenz Geld ist schon seit gut 2 Jahrtausenden am Werk. Eisenstein weiter:

Ich habe dieses Kapitel “Geld und Geist” genannt. Geist ist genauso wie Geld ein Begriff für etwas Abstraktes, das mit einem materiellen Vehikel erscheint. Wie das Vertrauen in die Macht des Geldes hat sich auch die Idee vom Geist als getrennte, immaterielle Essenz des Seins über tausende Jahre bis zu der heutigen Vorstellung von einem immateriellen Bewusstsein, einem körperlosen Verstand entwickelt. Wie aufschlussreich, dass sowohl im säkularen als auch im religiösen Denken die Abstraktion wichtiger geworden ist als das materielle Vehikel, genau wie auch der “Wert” einer Sache wichtiger ist als deren stoffliche Eigenschaften.

Und weiter:

Wenn wir über ein mögliches Geld der Zukunft nachdenken, dürfen wir nicht vergessen, dass es die Macht hat, alles zu vereinheitlichen, mit dem es in Berührung kommt. Vielleicht sollte Geld nur für Dinge verwendet werden, die standardisiert, quantifizierbar oder unspezifisch sind oder sein sollten. Vielleicht sollte eine andere Art von Geld oder überhaupt kein Geld für Dinge verwendet werden, die persönlich und einzigartig sind.