Solidarische Ökonomie - reicht mir noch nicht

So, nun war ich also auf dem oft angekündigten Kongress Wie wollen wir wirtschaften? Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus an der TU Berlin. Thema des Kongresses war die Solidarische Ökonomie, worunter ich ein solidarisches (“geschwisterliches”) Wirtschaften innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems, das auf dem Prinzip des Äquivalententauschs basiert, verstehe. Ganz grob vereinfacht nenne ich es mal “Wirtschaften ohne Ausbeutung”.

Mein persönlicher roter Faden auf dem Kongress waren die kapitalistischen Denkstrukturen. So habe ich Gedanken & Gefühle der Art genannt “ich habe Angst zu kurz zu kommen, deshalb achte ich zuerst darauf, dass ich das bekomme was ich brauche”. Dem gegenüber geht eine solidarische/geschwisterliche Denk- & Fühlweise davon aus, was die anderen Menschen brauchen, mit denen ich zu tun habe, & setzt sich dafür ein dass sie das auch bekommen. Voraussetzung dafür ist, dass ich mich nicht im Mangel, sondern in der Fülle fühle. Aus diesem Bewusstsein der Fülle heraus liegen Lösungen, von denen alle etwas haben, viel näher als wenn jedeR nur (bzw. zuerst) an sich denkt. Von daher stimmt der Spruch “Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht” nur sehr bedingt. Bei dieser egozentrischen Herangehensweise fällt ein ganzes Universum von kreativen, gemeinschaftlichen, solidarischen Lösungen unter den Tisch. Die Form der Entscheidungsfindung aus dem Bewusstsein der Fülle heraus ist das Konsensverfahren. Dazu habe ich mir auf dem Kongress den HierarchNIE!-Reader gekauft, sozusagen die linksradikale Version des Konsens-Buches der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden (das ich schon seit längerem habe).

Aus diesem Bewusstsein heraus wurde mir während des Kongresses immer deutlicher, dass mir eine “nur” solidarische Ökonomie (so unterstützenswert ich sie finde) noch nicht weit genug reicht. Meine grosse Vision ist die globale Umsonstökonomie, auch Gratisökonomie oder Schenkökonomie genannt (siehe auch Heide Göttner-Abendroth). Dabei ist es möglich, beliebig klein anzufangen. Ein Ansatz sind NutzerInnengemeinschaften, kurz Nutzigems. Ein paar Leute von Schöner Leben Göttingen entwickeln dafür eine Internetplattform: www.nutzigems.org. Die Idee einer Nutzigem ist denkbar einfach: Einige Leute schliessen sich zusammen & stellen beliebige Ressourcen für alle innerhalb der Nutzigem zur Verfügung, seien es nun Dinge oder Fähigkeiten. Im Rahmen der Diskussion wurde auch die Möglichkeit vorgeschlagen, sein monatliches Gehalt von 1.000 Euro zur Verfügung zu stellen… Dabei bleiben die Dinge im Eigentum der Einzelpersonen - bis auf das, was verschenkt wird natürlich. Auch dann wechselt aber nur der Eigentümer. Kollektiveigentum gehört nicht zum Prinzip einer Nutzigem, lässt sich jedoch problemlos damit kombinieren. In den Nutzigems, wie auch in Umsonstläden u.a. zeigt sich die Keimform einer grundlegend anderen Wirtschaft - eben der Umsonstökonomie. Das Oekonux-Projekt befasst sich speziell mit dem Keimformcharakter Freier Software.

Übrigens habe ich gerade im Keimform-Blog einen Hinweis auf einen Artikel gefunden, der über die Auswirkungen von Geld auf menschliches Sozialverhalten berichtet:Geld erzeugt bei Menschen das Gefühl von Unabhängigkeit – sie sind dann weniger bereit, fremde Hilfe anzunehmen oder anderen Unterstützung anzubieten Quelle: Hilf dir doch selbst! Dafür genügt die beiläufige Anwesenheit von Geld oder Symbolen bzw. Inhalten, die mit Geld zusammenhängen!! Wenn das kein Grund ist, sich mit voller Kraft für die Umsonstökonomie einzusetzen…

Zum Schluss liste ich noch ein paar gerade eben im Umsonstökonomie-Rausch entdeckte Websites auf: Zunächst mal unverdient gut leben von Uli Frank, der auch das Thema Kinder in diesem Zusammenhang erörtert, was mir ja auch besonders am Herzen liegt. Ein guter Einstiegstext von ihm ist Hör auf zu rechnen! (…und zu tauschen!), da bringt er die Geld-/Tauschlogik & ihre Auswirkungen gut auf den Punkt, sowie was nötig ist um das alles anders zu machen. Hach, ich könnt grad in die Luft springen vor Begeisterung!!! Surft auf diesen Websites, da geht die Reise hin!

Übrigens passt die Neue Arbeit da super mit rein. Das Buch von Frithjof Bergmann hab ich mir zum Super-Sonderpreis am Stand der Sozialistischen Selbsthilfe Köln-Mühlheim (SSM) gekauft. Dort in Köln gibt es auch das Institut für Neue Arbeit e.V. In einer Gesellschaft, die nicht mehr der Geldlogik unterliegt, wird es viel leichter sein, dass sich alle Menschen selbst entfalten bzw. in der Sprache der Neuen Arbeit das tun, was sie wirklich wirklich wollen.