Freie Software - ein höchst spirituelles Unterfangen
Wie Ihr wohl bemerkt habt, beschäftige ich mich in den letzten Wochen wieder verstärkt mit Computern & der Software, die darauf läuft. Dabei habe ich darüber nachgedacht, was es bedeutet, Freie Software bzw. Open Source Software zu entwickeln.
Das Prinzip, das Linus Torvalds bei der Entwicklung des Linux-Kernels anwandte - Release Early, Release Often (“veröffentliche früh, veröffentliche oft”) - gefällt dem Ego überhaupt nicht. “Was?” fragt es, “ich soll meine persönlichen Ideen so schnell wie möglich & so oft wie möglich allen mitteilen, damit die daran herumkritteln & alles schlecht machen, was ich mir so toll ausgedacht habe? & dann soll ich auch noch per Copyleft allen anderen das Recht einräumen, mein geistiges Eigentum beliebig zu modifizieren & in dieser Form wieder weiterzugeben?”
Es braucht schon eine gehörige Portion Demut, sich selbst diesen Regeln zu unterwerfen. Zumal sich mit proprietärer Software ein Heidengeld verdienen lässt.
Ein Stück Software als Freie Software-Projekt zu veröffentlichen, ähnelt einer Geburt: Vom Zeitpunkt der Veröffentlichung an ist es nicht mehr ausschliesslich “meine Software”. Heerscharen von ProgrammiererInnen aus der ganzen Welt können (& dürfen!) fortan in meinem Quelltext herumpfuschen, neue Ideen einbauen, ihn besser oder schlechter machen als ich ihn mir ursprünglich ausgedacht hatte. So wie ich ein Kind, das frei aufwächst, kontinuierlich weiter loslasse, so lasse ich ein veröffentlichtes Softwareprojekt los.
Natürlich kann ich mir das Recht bewahren, als Unterhalter dieser Software zu bestimmen, welche Änderungen von anderen in die “offizielle” Version eingebaut werden; wenn ich dabei zu rigide vorgehe, laufe ich Gefahr, dass es einen Fork gibt & andere das Projekt mit grösserer Unterstützung der Netzgemeinde erfolgreicher weiterführen als ich, der Einzelkämpfer.