Braucht Linux Einfachheit?
Ein Beitrag im Keimform-Blog (Vom “Nutzen” Freier Software) hat mich ganz schön ins Grübeln gebracht. Dass GNOME Konfigurationsmöglichkeiten vor den “dummen Usern” versteckt, erinnert fatal an die Politik von Microsoft. Linus Torvalds rät aus diesem Grund, zu KDE oder anderen Window Managern zu wechseln. Einfachheit allein reicht zur Emanzipation nicht aus, sie kann sogar nach hinten losgehen. Linus Torvalds bezeichnet die Gnome-Entwickler sogar als “Interface Nazis” und führt an anderer Stelle aus “If you think your users are idiots, only idiots will use it.” (“Wenn du denkst, dass Deine BenutzerInnen Idioten sind, werden nur Idioten es benutzen”) Mich hat diese Überlegung dazu bewogen, im Zuge meiner ohnehin notwendigen System-Aktualisierung auf Gentoo Linux umzusteigen. Dass Ubuntu als Standard-Desktopumgebung GNOME nutzt, ist für diese Entscheidung nicht ausschlaggebend, da es ja auch Kubuntu gibt. Ubuntu hat sich zwar Menschlichkeit auf die Fahnen geschrieben, im Sinne der Freiheit in Freier Software geht Gentoo dabei jedoch einen wesentlichen Schritt weiter. Ein Satz aus der Gentoo Philosophy illustriert was ich meine: “If the tool forces the user to do things a particular way, then the tool is working against, rather than for, the user.” (“Wenn das Werkzeug den/die BenutzerIn dazu zwingt, die Dinge auf eine bestimmte Art zu tun, dann arbeitet das Werkzeug gegen anstelle von für die/den BenutzerIn”) Hier geht es eindeutig um Selbstentfaltung, wie sie vom Oekonux-Projekt verstanden wird.
Um mal einen Vergleich zu ziehen: Um ein Auto zu fahren, ist es im Normalfall nicht nötig zu verstehen, was “unter der Haube” vor sich geht. Genauso ist es im Normalfall nicht nötig zu verstehen, was “unter der Haube” eines Windows- (oder Macintosh-) Betriebssystems passiert, um es zu bedienen. Relevant wird dieses Wissen erst, wenn mal nicht alles so funktioniert wie es soll. Das kann (im Falle des Autos) von der Reifenpanne bis zu komplizierten Defekten des Motors reichen. Je besser ich mich mit dem Innenleben meines Autos auskenne, umso weniger bin ich von anderen “Experten” abhängig, umso öfter kann ich mir selber helfen & das Auto wieder zum Fahren bringen. Ich kann mir dieses Wissen auch nach & nach, je nach Bedarf, aneignen. Dazu muss ich allerdings Zugriff auf das Innenleben meines Autos haben sowie Zugriff auf Informationen darüber, wie es funktioniert. In dieser Hinsicht ist die zunehmende Bestückung von Autos mit Elektronik ein erheblicher Rückschritt. Selbst Automechaniker haben immer weniger Möglichkeiten etwas zu reparieren, wenn sie über keine profunden Kenntnisse im Bereich der Fahrzeugelektronik verfügen. Das ist immer eines meiner Hauptargumente für Linux anstatt Windows: Ich zeige den Leuten die Meldungen, die ein Linux-System beim Hochfahren anzeigt. Natürlich sind diese nicht ohne weiteres zu verstehen. Im Unterschied zu Windows, das so gut wie nichts anzeigt, kann mensch alle diese Meldungen jedoch verstehen, ohne Systemexperte zu sein. Alle nötigen Informationen sind frei verfügbar. & eine grosse Zahl von ExpertInnen, die sich dieses Wissen selbst angeeignet haben, stellen es gerne kostenlos für alle im Internet zur Verfügung.
In diesem Zusammenhang empfehle ich Neal Stephensons Buch Die Diktatur des schönen Scheins, in dem er die Entmündigung der BenutzerInnen durch grafische Oberflächen beschreibt.
Wem ein ganzes Buch zu viel zu lesen ist, lege ich diesen Artikel von Stephan Maus ans Herz: Mit Open Source Software gegen die digitale Unmündigkeit. O-Ton: “Ab morgen machst du dir die Maschine untertan. Ab morgen sprengt in diesen bröckeligen Mauern ein Microslave seine Fesseln.” Ja, Selbstentfaltung & Emanzipation sind oft anstrengend, manchmal sogar ein K(r)ampf. Doch auf lange Sicht lohnt es sich, denn es geht um nicht weniger als die Grundlagen unserer Gesellschaft. Wollen wir als Sklaven der Grosskonzerne unser Leben lang abhängig sein, oder wollen wir uns gemeinsam selber helfen?
So ist also meine Entscheidung für das von mir eingesetzte Betriebssystem mal wieder politisch motiviert. Meine angestrebte Geschäftstätigkeit wird davon auch ganz wesentlich berührt. Im Grunde sollte ich - ähnlich wie ein guter Arzt - mich bemühen, dass meine KundInnen meine Dienste immer seltener in Anspruch nehmen müssen. Doch woher kommt dann das Geld für meinen Lebensunterhalt? Es bleibt dabei: “Es gibt kein richtiges Leben im falschen.” Politische Veränderung tut not. Auf in die GPL-Gesellschaft!
& um die Titelfrage zu beantworten: Linux braucht Freiheit!