Aus Blaise Pascals »Vom Geist der Geometrie«
Timo Ollech
09.02.2001
Pascal befaßt sich in seiner Schrift mit dem Problem, wie man etwas überzeugend beweisen kann, und in diesem Zusammenhang behandelt er ausführlich den Begriff des Unendlichen.
»Ich will also das, was ein Beweis ist, am Beispiel der Beweise der Geometrie verständlich machen, welche fast die einzige unter den menschlichen Wissenschaften ist, die unfehlbare Beweise hervorbringt, weil sie allein die wahre Methode befolgt, während alle andern durch eine Naturnotwendigkeit in einer gewissen Art von Verwirrung sind, welche allein die Geometer bis ins Letzte zu erkennen vermögen. Vorher muß ich aber die Idee von einer noch höheren und vollkommeneren Methode geben, wohin die Menschenn jedoch niemals gelangen können: denn was über die Geometrie geht, geht über uns hinaus; trotzdem ist es notwendig, etwas davon zu sagen, obgleich es unmöglich zu verwirklichen ist.
Diese wahre Methode, welche die Beweise in höchster Vollendung führen würde, wenn es möglich wäre, sie zu erreichen, würde in zwei Hauptursachen bestehen: einmal, keinen Begriff zu verwenden, dessen Sinn man nicht vorher deutlich erklärt hätte, zum andern, niemals eine Behauptung aufzustellen, die man nicht aus schon bekannten Wahrheiten bewiesen hätte; d.h. mit einem Wort, alle Begriffe zu definieren und alle Behauptungen zu beweisen.«
Definitionen sind lediglich Abkürzungen, Namen für eindeutig festgelegte Sachverhalte. Pascal zufolge kommt es darauf an,
»in Gedanken die Definition an Stelle des Definierten zu setzen und die Definition immer so gegenwärtig zu haben, daß man jedes Mal, wenn mann z.B. von der geraden Zahl spricht, genau weiß, daß es die ist, welche man in zwei gleiche Teile zerlegen kann, und daß diese beiden Dinge so in Gedanken verbunden und unabtrennbar sind, daß der Geist, sobald die Rede das Eine ausdrückt, das Andere unmittelbar damit verknüpft.«
Die vollkommene Beweismethode ist uns Menschen nicht zugänglich:
»Gewiß wäre diese Methode schön, aber sie ist absolut unmöglich; denn es ist klar, daß die ersten Begriffe, die man definieren wollte, frühere voraussetzen würden, die man zu ihrer Erklärung brauchte, und daß die ersten Behauptungen, die man beweisen wollte, andere Behauptungen voraussetzen würden, die ihnen vorhergingen; und so ist klar, daß man niemals zu den ersten gelangen würde. […] Daraus wird offenbar, daß die Menschen in einer natürlichen und unabänderlichen Schwäche sind, irgendeine Wissenschaft in einer absolut vollendeten Ordnung durchzuführen.«
David Hilbert hätte hier lernen können, daß sein Programm von vornherein zum Scheitern verurteilt war!
Doch es besteht Hoffnung:
»Aber daraus folgt nicht, daß man jede Art von Ordnung aufgeben müsse. Denn es gibt eine, und das ist die der Geometrie, welche zwar darin der Wahrheit unterlegen ist, daß sie weniger überzeugend, nicht aber darin, daß sie weniger gewiß ist. Sie definiert nicht alles und beweist nicht alles, und darin steht sie ihr nach; aber sie setzt nur Dinge voraus, welche durch die natürliche Einsicht klar und sicher sind, und deshalb ist sie vollkommen wahr, denn die Natur unterstützt sie für den Mangel der Beweisführung.«
Die Geometrie läßt Begriffe wie Raum, Zeit, Bewegung, Zahl, Gleichheit u.ä. undefiniert. Anders als David Hilbert, der sich in dieser Hinsicht absichtlich »dumm stellt«, begründet Pascal das folgendermaßen:
»Man sieht hieraus zur Genüge, daß es undefinierbare Wörter gibt; und hätte die Natur nicht diesen Mangel durch eine gleiche Idee ersetzt, die sie allen Menschen gegeben hat, wären alle unsere Ausdrücke verwirrt; statt dessen braucht man sie mit derselben Sicherheit und Gewißheit, wie wenn sie in vollkommen unzweideutiger Weise erklärt wären; denn die Natur selbst hat uns ohne Worte ein klareres Verständnis von ihnen gegeben als das ist, welches wir uns künstlich durch unsere Erklärungen erwerben.«
»Man wird es vielleicht sonderbar finden, daß die Geometrie keines von den Dingen definieren kann, die sie zu Hauptgegenständen hat: denn sie kann weder die Bewegung noch die Zahlen noch den Raum definieren; und doch sind es gerade diese drei Dinge, die sie im besonderen betrachtet und deren Untersuchung entsprechend sie die drei verschiedenen Namen Mechanik, Arithmetik und Geometrie annimmt, wobei das letzte Wort die Gattung und die Art bezeichnet.
Man wird aber davon nicht überrascht sein, wenn man bemerkt, daß diese bewunderungswürdige Wissenschaft sich nur an die einfachsten Dinge hält und daß die gleiche Eigenschaft, die diese würdig macht, ihre Gegenstände zu sein, sie unfähig macht, definiert zu werden; so ist das Fehlen einer Definition eher eine Vollkommenheit als ein Mangel, denn es kommt nicht von der Dunkelheit dieser Dinge, sondern von ihrer außerordentlichen Evidenz, die so groß ist, daß sie, obwohl sie nicht die Überzeugungskraft von Beweisen, doch deren ganze Gewißheit besitzt. Die Geometrie setzt also voraus, daß man wisse, was mit den Wörtern: Bewegung, Zahl, Raum gemeint ist; und ohne sich mit ihrer Definition unnütz aufzuhalten, durchdringt sie ihre Natur und entdeckt ihre wunderbaren Eigenschaften.
Diese drei Dinge, die das ganze Weltall umfassen gemäß dem Wort: Gott hat alles geschaffen nach Gewicht, nach Zahl und Maß stehen in wechselseitiger und notwendiger Verknüpfung. Denn man kann sich keine Bewegung vorstellen ohne etwas, das sich bewegt; und da dieses Etwas eines ist, ist die Einheit der Ursprung aller Zahlen; da endlich die Bewegung nicht ohne Raum sein kann, sieht man, daß diese drei Dinge im ersten enthalten sind. [Im übrigen hat ein Raum ohne jegliche Dinge darin wenig Sinn!] Selbst die Zeit ist darin schon einbegriffen: denn Bewegung und Zeit stehen in Beziehung zueinander; da die Schnelligkeit und die Langsamkeit, welche die Unterschiede der Bewegung sind, ein notwendiges Verhältnis zur Zeit haben.
So gibt es in allen Dingen gemeinsame Eigenschaften, deren Kenntnis den Geist für die größten Wunder der Natur öffnet.«
Über meine Bemerkung betreffs des leeren Raumes hinaus muß man sich auch fragen, was denn ein einzelner Körper im Raum soll. Entweder gibt es niemanden, der ihn beobachtet, oder der Beobachter selbst ist der fragliche Körper. In beiden Fällen fehlt jeglicher Bezug zu irgendetwas anderem, wenn überhaupt nur ein einziges Ding existiert. Leibniz hatte da eine wesentlich klarere Vorstellung vom Raum.
Nun wendet sich Pascal seinem zweiten großen Thema zu:
»Das hauptsächlichste umfaßt die beiden Unendlichkeiten, die sich in ihnen allen finden: die der Größe und der Kleinheit. Denn wie schnell eine Bewegung auch sei, man kann sich eine vorstellen, die schneller ist und diese letzte noch wieder beschleunigen; und so immer weiter bis ins Unendliche, ohne je zu einer zu kommen, die so schnell wäre, daß man sie nicht mehr beschleunigen könnte. Und umgekehrt, wie langsam eine Bewegung auch sei, man kann sie weiter verlangsamen, und auch diese letzte noch, und so ins Unendliche fort, ohne jemals zu einem solchen Grad von Langsamkeit zu kommen, daß man nicht noch zu einer Unendlichkeit weiterer Langsamkeiten herabsteigen könnte, ohne in die Ruhe zu verfallen.«
Gleiches gilt für Zahlen, Raum und Zeit. Faßt man diese als reine Vorstellungen auf, so hat Pascal recht mit seiner Aussage — er ging jedoch gleichermaßen von der physikalischen Gültigkeit aus. Seit Einstein die Lichtgeschwindigkeit als absolute Obergrenze für jede Geschwindigkeit erkannte, muß Pascal in diesem Punkt als widerlegt gelten. Auf der anderen Seite der Skala steht es besser für ihn: Die Physiker nähern sich dem absoluten Temperatur-Nullpunkt, der ja nichts anderes bedeutet als völlige Bewegungslosigkeit der Elementarteilchen, immer mehr, ohne ihn je erreicht zu haben.
Quasi im Vorübergehen stellt Pascal dann ein Prinzip auf, das Jahrhunderte später mit dem Namen Karl Popper verbunden werden sollte:
»Es ist eine dem Menschen natürliche Krankheit zu glauben, daß er die Wahrheit unmittelbar besitze; und daher kommt es, daß er immer geneigt ist, alles zu leugnen, was ihm unbegreiflich ist; tatsächlich aber kennt er natürlicherweise nur die Lüge und darf nur die Dinge für wahr nehmen, deren Gegenteil ihm falsch erscheint. Und daher muß man jedesmal, wenn eine Behauptung unbegreiflich ist, das Urteil darüber aufschieben und darf sie nicht daraufhin verneinen, sondern muß ihr Gegenteil prüfen; und wenn man es offensichtlich falsch findet, kann man die erste Behauptung kühn in ihrer ganzen Unbegreiflichkeit bejahen.«
Hierbei wird zwar das tertium non datur als wahr vorausgesetzt; das hat sich über die Jahrtausende hinweg aber auch sehr gut geschlagen.
Pascal argumentiert entsprechend für die unendliche Teilbarkeit des Raumes mit einem Widerspruchsbeweis:
»Wenn es wahr wäre, daß der Raum aus einer bestimmten endlichen Anzahl von unteilbaren (Teilen) zusammengesetzt sei, würden folglich zwei Räume, von denen jeder quadratisch, d.h. ebenmäßig und gleich nach allen Seiten wäre und der eine doppelt so groß wie der andere wäre, der eine doppelt so viele Unteilbare enthalten wie der andere. Mögen sie [diejenigen, die die unendliche Teilbarkeit des Raumes abstreiten] diese Folgerung gut behalten und sich dann bemühen, Punkte so lange zu Quadraten zu ordnen, bis sie zwei Quadrate angetroffen haben, von denen das eine doppelt so viele Punkte enthält wie das andere, und alsdann werde ich alle Geometer der Welt ihnen weichen lassen.«
Bekanntlich ist das Verhältnis der Seitenlängen obiger Quadrate, √(2), eine irrationale Zahl; die beiden Strecken sind inkommensurabel.
Ausgehend von Euklids Definition von Größen gleicher Gattung: »Die Größen heißen von gleicher Gattung, wenn die eine wiederholt vervielfältigt schließlich die andere übertreffen kann« untersucht Pascal den Unterschied des Unteilbaren von der Ausdehnung:
»Dieses unterscheidet sich nicht nur dem Namen nach, der willkürlich ist, sondern es unterscheidet sich der Gattung nach, und zwar auf Grund derselben Definition, denn ein beliebig oft vervielfältigtes Unteilbares ist so weit entfernt, eine Ausdehnung übertreffen zu können, daß es niemals etwas anderes bilden kann als einzig und allein ein Unteilbares; dies ist, wie bereits bewiesen wurde, natürlich und notwendig. Und da dieser letzte Beweis auf die Definition der beiden Dinge, Unteilbares und Ausdehnung, gegründet ist, soll die Erläuterung nun vollständig zu Ende geführt werden.
Ein Unteilbares ist das, was keine Teile hat, und die Ausdehnung ist das, was verschiedene getrennte Teile hat.
Auf Grund dieser Definitionen behaupte ich, daß zwei vereinte Unteilbare keine Ausdehnung ergeben. Denn wenn sie vereinigt werden, so berührt jedes das andere in einem Teil, und folglich sind die Teile, in denen sie sich berühren, nicht getrennt, da sie sich sonst nicht berühren würden. Nun haben sie aber nach ihrer Definition keine anderen Teile: also haben sie keine getrennten Teile; also sind sie keine Ausdehnung gemäß der Definition, welche die Trennung der Teile enthält. Das gleiche kann man von allen andern Unteilbaren, die man hinzufügt, mit der gleichen Begründung zeigen. Und infolgedessen wird ein Unteilbares, man mag es vervielfältigen so oft man will, niemals eine Ausdehnung ergeben.«
Anders ausgedrückt: Eine noch so große Anhäufung von Punkten ergibt noch keine Linie, geschweige denn eine Fläche. Man fühlt sich auch unwillkürlich erinnert an Cantors Begriff der Mächtigkeit von Mengen und an den Lebesgueschen Maßbegriff: Die Vereinigung abzählbar vieler Nullmengen ist immer noch vom Maß 0. Ebenso ist damit die Null keine Zahl:
»Wenn man aber einen Vergleich aus dem Zahlenbereich nehmen will, der das, was wir bei der Ausdehnung betrachten, richtig darstellt, so kann es nur die Beziehung der Null zu den Zahlen sein; denn die Null ist nicht von gleicher Gattung wie die Zahlen, denn sie kann, vervielfältigt, nicht die Zahlen übertreffen: so ist sie ein wahrhaft Unteilbares von Zahl wie das Unteilbare eine wahre Null von Ausdehnung ist. Man wird eine gleiche Beziehung zwischen der Ruhe und der Bewegung und zwischen einem Augenblick und der Zeit finden; denn alle diese Dinge sind von ihren Größen in der Gattung verschieden, da sie unendlich vervielfältigt niemals etwas anderes ergeben können als Unteilbare hinsichtlich der Ausdehnung, und zwar aus dem gleichen Grunde. Und dann wird man eine vollkommene Wechselbeziehung zwischen diesen Dingen finden; denn alle diese Größen sind ins Unendliche teilbar, ohne je in unteilbare (Teile) zu verfallen; so halten sie alle die Mitte zwischen dem Unendlichen und dem Nichts.
Das sind die bewunderungswürdigen Beziehungen, in welche die Natur diese Dinge gesetzt hat und die beiden wunderbaren Unendlichkeiten, die sie dem Menschen vorgelegt hat, nicht zum Begreifen, sondern zum Bewundern; und um die Betrachtung mit einer letzten Bemerkung abzuschließen, will ich hinzufügen, daß diese beiden Unendlichkeiten, obwohl unendlich verschieden, dennoch aufeinander bezogen sind, so daß die Kenntnis der einen notwendig zur Kenntnis der anderen führt.«
»Diejenigen aber, die diese Wahrheiten klar sehen, werden in dieser doppelten Unendlichkeit, die uns von allen Seiten umgibt, die Größe und Macht der Natur bewundern können, und sie werden durch diese wunderbare Betrachtung lernen können, sich selbst zu erkennen, indem sie sich zwischen einer Unendlichkeit und einem Nichts an Ausdehnung, zwischen einer Unendlichkeit und einem Nichts an Zahl, zwischen einer Unendlichkeit und einem Nichts an Zeit gesetzt sehen. Daraus kann man lernen, sich auf seinen richtigen Wert einzuschätzen und sich Gedanken zu machen, die mehr wert sind als selbst der ganze Rest der Geometrie.«
Im folgenden wendet sich Pascal wieder dem Beweisen zu:
»Die Kunst zu überzeugen steht in einem notwendigen Zusammenhang mit der Weise, wie die Menschen dem, was man ihnen vorträgt, zustimmen und mit der Beschaffenheit der Dinge, die man glaubhaft machen will. Jedermann weiß, daß es zwei Eingänge gibt, durch welche die Meinungen in die Seele aufgenommen werden; es sind dies ihre beiden Hauptkräfte, der Verstand und der Wille.
Der natürlichste Eingang ist der des Verstandes, denn man sollte stets nur den bewiesenen Wahrheiten zustimmen; aber der gewöhnlichste, obgleich widernatürliche, ist der des Willens; denn alle Menschen werden fast nie durch den Beweis, sondern immer durch das Wohlgefallen zum Glauben bestimmt. Dieser Weg ist niedrig, unwürdig und sonderbar; deshalb verleugnen ihn auch alle. Jeder gibt vor, nur das zu glauben, ja, sogar nur das zu lieben, wovon er weiß, daß es dessen würdig sei.
Ich spreche hier nicht von den göttlichen Wahrheiten; ich würde mich hüten, sie unter die Kunst zu überzeugen fallen zu lassen, denn sie sind unendlich hoch über der Natur; Gott allein kann sie in die Seele legen, und auf die Weise, die ihm gefällt. Ich weiß, er hat gewollt, daß sie vom Herzen in den Geist gelangen und nicht vom Geist ins Herz, um jene stolze Macht der Vernunft zu demütigen, die sich anmaßt, über alle Dinge, welche der Wille wählt, Richter sein zu müssen, und um den schwachen Willen zu heilen, der durch seine schmutzigen Neigungen ganz verdorben ist. Und daher kommt es, daß man sagt, wenn man von den menschlichen Dingen redet, man müsse sie erkennen, bevor man sie liebe, was ins Sprichwort übergegangen ist, die Heiligen dagegen sagen, wenn sie von den göttlichen Dingen sprechen, man müsse sie lieben, um sie zu erkennen, und gelange nur durch die Liebe zur Wahrheit, woraus sie einen ihrer nützlichsten Denksprüche gemacht haben.«
Auch wenn es meist einfacher ist, Menschen über den Weg des Willens von etwas zu überzeugen, so zieht Pascal doch den Verstand vor, weil er allein in der Lage ist, allgemeingültige Prinzipien zu erkennen.
»Die Kunst, die ich die Kunst zu überzeugen nenne, und die eigentlich nichts anderes ist als die Führung von vollkommenen, methodischen Beweisen, besteht in drei wesentlichen Teilen: die Begriffe, deren man sich bedienen muß, durch klare Definitionen zu bestimmen; zum Beweis der Sache, um die es sich handelt, evidente Prinzipien oder Axiome aufzustellen; und während des Beweises im Geiste die Definition immer an die Stelle des Definierten zu setzen.«
Er stellt dann acht Regeln für das Beweisen auf:
»Regeln für die Definitionen. — 1. Keines der Dinge zu definieren versuchen, die von sich selbst her so bekannt sind, daß man keine noch klareren Begriffe hat, sie zu erklären. 2. Keinen der etwas dunklen oder zweideutigen Begriffe undefiniert lassen. 3. Bei der Definition der Begriffe nur vollkommen bekannte oder schon erklärte Wörter verwenden.
Regeln für die Axiome. — 1. Bei keinem der notwendigen Prinzipien die Frage unterlassen, ob man es anerkenne, wie klar und evident es auch sein möge. 2. Zu Axiomen nur Dinge fordern, die von sich selbst her vollkommen evident sind.
Regeln für die Beweise. — 1. Keines der Dinge zu beweisen versuchen, die von sich selbst her so evident sind, daß man nichts Klareres mehr hat, um sie zu beweisen. 2. Alle etwas dunkleren Behauptungen beweisen und zu ihrem Beweis nur sehr evidente Axiome oder schon zugegebene oder bewiesene Behauptungen verwenden. 3. Immer im Geiste die Definition an die Stelle des Definierten setzen, um sich nicht durch die Mehrdeutigkeit der Begriffe, die man durch die Definitionen eingeschränkt hat, täuschen zu lassen.«
Voilà: die axiomatische Methode wurde schon im 17. Jahrhundert entwickelt! Ebenso kann man Blaise Pascal damit als den ersten analytischen Philosophen bezeichnen.
Die jeweils ersten Regeln sind nicht notwendig um einen korrekten Beweis zu führen; die anderen fünf braucht man jedoch auf alle Fälle. Dennoch versucht natürlich jede Wissenschaft, ihre Beobachtungen aus möglichst wenigen Voraussetzugen zu erklären.
Es gilt, diese Regeln zu verinnerlichen:
»Diejenigen, die den Geist der Unterscheidung haben, wissen, welch großer Unterschied zwischen zwei gleichen Worten besteht, je nach den Anlässen und begleitenden Umständen. Glaubt man wirklich, daß zwei Personen, die dasselbe Buch gelesen und auswendig gelernt haben, es in gleicher Weise kennen, wenn der eine es so innehat, daß er alle darin enthaltenen Prinzipien, die Kraft der Folgerungen, die Antworten auf die Einwände, die man machen kann, und den ganzen Aufbau des Werkes kennt, während es für den andern nur tote Worte und Samen sind, die obwohl es denen gleich, welche so fruchtbare Bäume hervorgebracht haben, in dem öden Geist, der sie umsonst empfangen hat, trocken und unfruchtbar geblieben sind?«
»Manch einer sagt etwas aus sich heraus, ohne dessen Vortrefflichkeit zu erkennen, während ein anderer darin eine wunderbare Reihe von Folgerungen begreift, die uns kühn behaupten läßt, daß es nicht mehr dasselbe Wort sei und daß er es ebenso wenig dem verdanke, von dem er es sich angeeignet hat, wie ein bewunderungswürdiger Baum nicht dem gehören würde, der seinen Samen gedankenlos und ohne ihn zu kennen, in fruchtbare Erde gestreut, die so erst durch ihre eigene Fruchtbarkeit daraus Nutzen gezogen hätte.«
Man erkennt hier deutlich den Unterschied zwischen Bildung und Input, zwischen Verstehen und Information.